Konjunkturpaket mit Wassserstoffstrategie: 7 Milliarden und gebremste Euphorie
Vom Konjunkturpaket bekommt auch die Forschung zu Wasserstoffenergie etwas ab. Das Wirtschaftsministerium bleibt aber zurückhaltend.
Das sind die wichtigsten Aussagen eines Gutachtens, das das Ministerium am Freitag veröffentlicht. Die Untersuchung liegt der taz vor.
Die umfangreiche Studie „Kosten und Transformationspfade für strombasierte Energieträger“ hat das Haus von Minister Peter Altmaier (CDU) bei der Schweizer Unternehmensberatung prognos erstellen lassen. Die Autoren rechnen mehrere Szenarien durch, wie und wo Wasserstoff produziert oder nach Deutschland transportiert werden kann. Wasserstoff (H2) gilt als saubere Energiequelle der Zukunft, wenn er durch Elektrolyse mit Ökostrom erzeugt wird, er soll Öl und Gas im Verkehr und der Industrie ersetzen.
In der Studie heißt es allerdings, die Herstellung von Wasserstoff oder daraus gewonnenen gasförmigen und flüssigen Brennstoffen, sogenannte Power to Gas (PtG) oder Power to Liquid (PtL), etwa Methan und Kraftstoffe, bleibe auch dann bis 2050 kostspieliger, wenn die Fossilen deutlich teurer würden.
Gefördert wird nur „grüner“ Wasserstoff
Außerdem seien die Kapazitäten knapp. Der bisherige Ausbaupfad der erneuerbaren Energien lasse „bis 2030 nur eine inländische Erzeugung von maximal rund 16 TwH (Terrawattstunden) grünem Wasserstoff zu, sofern ausschließlich erneuerbarer Strom genutzt werden soll“. Wenn Deutschland sein Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, schaffen will, werden bis dahin nach unterschiedlichen Studien zwischen 110 und 1.200 TwH von Energie aus Wasserstoff benötigt.
Mit der Studie positioniert sich das Wirtschaftsministerium im regierungsinternen Ringen um die Zukunft der Energieversorgung. Die eigentlich für Ende 2019 geplante „Wasserstoffstrategie“ wurde wegen Differenzen immer wieder verzögert. Das SPD-geführte Umwelt- und das CDU-Forschungsministerium haben erreicht, dass öffentliche Gelder nur für sogenannten grünen Wasserstoff fließen sollen, der aus erneuerbaren und nicht aus fossilen Quellen gewonnen wird. Vor allem Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) schwärmt vom Wasserstoff als Zukunftstechnik und möchte Deutschland zum globalen Marktführer dabei machen.
Wirtschaftsministerium bremst
Karliczek plädiert dafür, in Deutschland bis 2030 Elektrolyse-Anlagen für die Produktion von Wasserstoff mit einer Leistung von 10 Gigawatt zu errichten. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag setzt auf eine solche Größenordnung – die aber bedeuten würde, die jetzige Planung für Wind- und PV-Anlagen (65 Prozent der Stromerzeugung bis 2030 aus Öko-Anlagen) deutlich zu erhöhen.
Da ist das Wirtschaftsministerium seit langem skeptisch – und hat sich nun offenbar durchgesetzt. Im Konjunkturpaket der Regierung ist geplant, bis 2030 nur 5 GW zu bauen und „nach Möglichkeit“ bis 2035 noch einmal 5 GW, spätestens aber 2040 die 10 GW zu erreichen. Dafür und für Forschung und Subventionen plant die Regierung Ausgaben von 7 Milliarden Euro, die Strategie solle „kurzfristig“ vorgelegt werden.
„Es ist wichtig, dass Deutschland langfristig alle fossilen Energieträger durch klimafreundliche erneuerbare Energien ersetzen kann“, sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Da Wasserstoff hierfür eine Schlüsselfunktion hat, müssen wir jetzt die Weichen stellen, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck an der Finalisierung der Wasserstoffstrategie mit ambitionierten, aber erreichbaren Zielen.“
Wenn nicht genug Wasserstoff in Deutschland produziert wird, müsste er importiert werden, heißt es im prognos-Gutachten. Aber das sei nicht so einfach: Bislang gibt es kaum in großem Maßstab ökologisch erzeugten Wasserstoff für den Transport, in Nordafrika könnte eine solche, auch mit europäischen Mitten aufgebaute, Produktion Probleme mit dem Trinkwasser nach sich ziehen.
Es geht vor allem um Loks, Lkw und Stahl
Eine Absage formuliert das Papier an die Hoffnungen, mit Wasserstoff auch die Gebäude und den Autoverkehr grün zu machen. Da gebe es günstigere Mittel wie Wärmepumpen und Elektromobilität, heißt es. Lohnen würde sich der Einsatz von Wasserstoff-Technik dagegen etwa bei Lokomotiven, die bislang mit Diesel fahren, beim Lkw-Transport, beim Ersatz von Gas in Raffinierien und in der Stahlerzeugung. Sobald allerdings Industrien im weltweiten Wettbewerb stehen, wie beim Stahl, müssten die Mehrkosten ausgeglichen werden.
Ohnehin seien die Kosten hoch, schreiben die prognos-Experten. Für etwa 3 Milliarden Euro Mehrkosten könne man mit der gesamten deutschen H2-Produktion im Jahr 2030 etwa 8 Prozent des deutschen Stahls klimafreundlich produzieren und damit etwa 5 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Für etwa das gleiche Geld könne man den gesamten innerdeutschen Flugverkehr mit CO2-freiem Kerosin fliegen lassen – aber nur halb so viel CO2 einsparen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“