Konjunkturaussichten in Deutschland: Vor dem Absturz
Die Wirtschaftsaussichten sehen wegen Inflation und Energiekrise düster aus. Aber die ausgesetzte Schuldenbremse bietet Spielräume für Entlastungen.
E s ist nicht alles schlecht in Deutschland – das legen die aktuellen ökonomischen Daten nahe. Immerhin hat die Wirtschaftskraft trotz Krieg und Inflation im vergangenen Quartal wieder mit einem kleinen Wachstumslupfer das Niveau der Zeit vor der Coronapandemie erreicht.
Der Arbeitsmarkt ist stabil, die Steuereinnahmen besser als gedacht, die Pandemie hat sich vorerst abgemildert. Nun sieht es angesichts der Energiekrise, des Inflationsmonsters und weiter stockender Lieferketten ziemlich zappenduster für die kommenden Monate aus. Die Rezession ist für ÖkonomInnen ein done deal, also gesetzt.
Viel hängt tatsächlich vom Wetter ab. Die Folgen für einzelne Branchen, falls dort infolge eines harten Winters staatlicherseits der Gashahn abgedreht wird, sind kaum abschätzbar; Dominoeffekte drohen. Fast noch gefährlicher sind die Folgen der historisch hohen Preisanstiege. Wer geht schon auf Shoppingtour, wenn die Energiepreise von 200 auf 800 Euro im Monat (grobe Schätzung für eine vierköpfige Familie mit Gasheizung und -herd im Altbau) anziehen?
Wladimir Putin freut’s – er wird weiterhin versuchen, die Panikpreise in die Höhe zu jazzen. Leider zocken derzeit auch Firmen ihre KundInnen mit Preisaufschlägen ab, die gar nicht so viel Energie benötigen – fällt ja nicht so auf. Die für hiesige Verhältnisse rasende Geldentwertung ist Gift pur für das Konsumklima: Nicht nur wirtschaftlich schwache Menschen, auch die sogenannte Mittelschicht schaltet angesichts der ungewissen Zukunft auf Sparmodus um.
Und die Ampel? Arbeitet in der Causa auch auf Sparflamme. Es ist unfassbar, wie ein sozialdemokratischer Kanzler durchs ewige Schmieden von Ausgleichspaketen eine derartige Verunsicherung erzeugt. Die Opposition ist happy. Klar ist: Im Etat 2022 stecken Megaspielräume. Problemlos kann die Regierung die noch geltende Notfallsituation bei der Schuldenbremse für kräftige, kreditfinanzierte Zuschüsse an Privathaushalte nutzen – etwa für eine neue Energiepauschale.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat