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Konflikte beim Nato-Gipfel in VilniusNato an der eigenen Front

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Ukraine will ins Bündnis, nicht alle Mitgliedstaaten sind dafür. Auch nebensächliche Differenzen werden den Blick aufs Wesentliche verstellen.

Gespräche vor dem Gipfel: Jens Stoltenberg (links) und Gitanas Nauseda Foto: Mindaugas Kulbis/ap

S elten war ein Nato-Gipfel so entscheidend, selten war sein Ausgang so offen. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der 31 Nato-Mitglieder ab Dienstag in Litauens Hauptstadt Vilnius treffen, ist so gut wie nichts klar. Es ist Stand Montag nicht einmal gesichert, ob Ukraines Präsident Selenski seiner Gipfeleinladung folgt oder nicht. Schlimmstenfalls droht ein Scheitern. Das wäre eine gigantische Blamage mitten in einer entscheidenden Phase des Krieges in der Ukraine.

Eine Mehrheit der Nato-Staaten will die Ukraine in der Nato. Joe Biden und Olaf Scholz wollen das nicht. Wenn die Nato-Staaten diesen Streit frontal austragen, wird der Gipfel platzen. Werden sie aber nicht, denn dann platzt der Gipfel. Man wird also Kompromisse erfinden, die unterschiedlich interpretierbar sind und die darauf hinauslaufen, dass die Ukraine erst in die Nato darf, wenn das nicht mehr akut nötig ist. Das dürfte die Ukraine nicht zufriedenstellen.

Hinter dieser unbefriedigenden Lage stehen die vielen ungelösten atmosphärischen Konflikte innerhalb der Nato: um die Eitelkeiten einzelner Staatschefs, um Konkurrenz bei Rüstungsgeschäften, nicht zuletzt um die Nachfolge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die USA und Deutschland versuchen angeblich, Ursula von der Leyen als nächste Nato-Generalsekretärin einzufädeln, sehr zum Missfallen anderer wichtiger Nato-Staaten wie Großbritannien oder einiger osteuropäischer Länder. Völlig überflüssigerweise vertieft dieser Dissens um Personalien die bestehenden Differenzen zur Ukraine, weil er weitgehend entlang derselben Gräben verläuft.

Vor einem Jahr, beim Nato-Gipfel in Madrid, gab es Entschlossenheit und Geschlossenheit. Damals ging es um eine geeinte Haltung gegen Russland – das war einfach. Heute, ein Jahr später, geht es um eine geeinte Haltung für die Ukraine – das ist kompliziert. Aber versagt die Nato, sobald die Dinge kompliziert werden? Die Menschen in der Ukraine haben im Überlebenskampf gegen den russischen Vernichtungskrieg Besseres verdient.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • In diesem Gall hoffe ich mal auf Biden und Scholz.



    Hätte nie gedacht, dies mal zu schreiben.

    • @R.A.:

      Ist die Ukraine in der Nato, reicht ein kleiner Funken und man hat 2 Moeglichkeiten:



      1. Soldaten in den Krieg schicken,



      2. keine Soldaten in den Krieg schicken.

      1. heisst Weltkrieg Nr. 3,



      2 ist eine Infragestellung der Nato ansich.



      Weder die USA, noch Deutschland koennen ein Interesse daran haben, sich in diese Situation zu begeben.

      Ich vermute jedoch, dass die Frage der ukrainischen Nato-Mitgliedschaft Teil des Friedensabkommens sein wird, von daher ist die Diskussion verfrueht.