Konflikt zwischen Serbien und Kosovo: Zirkusshow auf Provinzniveau
Bei einer Parlamentssitzung soll Serbiens Präsident Vučić das Geheimnis um einen deutsch-französischen Plan zur Lösung der Krise lüften. Sie endet im Chaos.
Im Zentrum der transatlantischen Versöhnungsaktion steht ein geheim gehaltener deutsch-französischer Plan, auf dessen Grundlage der kosovarische Knoten durchschlagen werden soll. Brüssel und Washington haben dieses Produkt des deutsch-französischen Brainstormings als ein offizielles „europäisch-amerikanisches Dokument“ auf den Verhandlungstisch gelegt.
Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, machte sich eine Delegation mit ungewöhnlicher Besetzung zu Serbiens Staatspräsidenten Aleksandar Vučić und dem kosovarischen Regierungschef Albin Kurti auf: je ein Vertreter der EU, USA, Deutschlands, Frankreichs und Italiens. Die Botschaft an den serbischen und albanischen „Partner“ war klar: Wagt es nicht, euch dieser Macht zu widersetzen! Wir wollen Ruhe auf dem Westbalkan.
Da die ganze Geheimnistuerei um das Dokument der Phantasie aller möglichen Individuen auf der politischen Bühne freien Lauf ließ, wurde am Donnerstag eine, dem Thema Kosovo gewidmete, „historische“ Sondersitzung des serbischen Parlaments einberufen.
Ohne jegliche Befugnisse
Der Staatspräsident höchstpersönlich, der allein und laut Kritikern ohne jegliche Befugnisse im Namen Serbiens mit Prishtina verhandelt, sollte die Volksvertreter darüber aufklären, welches die Forderungen des Westens hinsichtlich der Wiege des Serbentums sind, und was dieses verdächtige, deutsch-französische Schreiben eigentlich beinhaltet.
Doch aus der epochalen Sitzung wurde nichts, wie ein serbischer Kolumnist schrieb. Denn „außer den großen Pferdestatuen vor dem serbischen Parlament fand im Parlamentssaal alles Platz, was ein provinzieller Zirkus sonst noch für eine Show benötigt: Clowns, Pelikane, Dompteure, Feuerschlucker und der stärkste Mann der Welt – Aleksandar Vučić“.
Ohne irgendetwas zu sagen, was man schon vorher nicht tausendmal gehört hätte, berichtete der große Boss Serbiens über eineinhalb Stunden lang wie er sich heldenhaft den Weltmächten widersetzt habe, die ihm ihre Sicht des von Serbien unabhängigen Kosovo hätten aufzwingen wollen.
Ohne zu präzisieren, was in dem europäisch-amerikanischen Kosovo-Plan steht, malte er dann allerdings ein düsteres Bild von dem, was auf Serbien zukomme, sollten die Serben das Dokument, dessen Inhalt sie nicht kennen, ablehnen: Stopp von Auslandsinvestitionen, kein Geld mehr aus EU-Fonds, ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit Brüssel, ein sinkender Lebensstandard, ein Ende der Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds, gar die Wiedereinführung der Visapflicht für EU-Staaten. Mit all dem hätten ihm die fünf Westler unmissverständlich gedroht, sagte Vučić.
Patriotische Lieder
Patriotische Rechtspopulisten meinten im Referat des Catch-All-Populisten Hochverrat zu erkennen, grölten patriotische Lieder über den Kosovo als Herz Serbiens, sprangen von ihren Bänken auf und umzingelten den Präsidenten mit Transparenten, auf denen „Verräter“ stand. Es kam zu Drängeleien und sanften Handgreiflichkeiten.
Der Staatspräsident beobachtete mit einem zynischen Lächeln ruhig das Tohuwabohu und befahl dem Parlamentspräsidenten, die Sitzung ja nicht zu unterbrechen. Das Zirkusspektakel schien er sichtlich zu genießen. Die Sitzung am Donnerstag dauerte dann noch bis spät in die Nacht und wurde am Freitag fortgesetzt.
Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, dass Vučić mit der ganzen Schwarzmalerei den Serben Angst einjagen möchte, welche Folgen eine Ablehnung der ultimativen Forderungen des Westens für ihre Existenz haben könnte, damit sie die deutsch-französische Kosovo-Pille leichter schlucken können.
Aus dem, was an die Medien durchgesickert ist, kann man nur eines schließen: Das Dokument sieht zwar keine de jure, aber eine de facto Anerkennung des Kosovo, und auch seines Sitzes bei den Vereinten Nationen vor. Diese Vorgabe zu akzeptieren, würde Vučić großes Kopfzerbrechen bereiten. Sie jedoch abzulehnen, falls der Westen es mit Strafmaßnahmen denn ernst meint, würde er politisch sicher nicht überleben.
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