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Konflikt zwischen Serbien und KosovoZirkusshow auf Provinzniveau

Bei einer Parlamentssitzung soll Serbiens Präsident Vučić das Geheimnis um einen deutsch-französischen Plan zur Lösung der Krise lüften. Sie endet im Chaos.

Applaus für die Zirkusshow: Serbiens Präsident Vučić im Parlament am Donnerstag Foto: Darko Vojinovic/ap

Belgrad taz | Der Westen hat anscheinend die Nase voll vom „Pulverfass“ Kosovo. Neben der ukrainischen, will man keine zweite Front in Europa riskieren. Straßenblockaden im Norden des Kosovo ethnisch motivierte Schießereien und Festnahmen oder institutionelle Krisen sollen nicht länger geduldet werden. Deshalb begaben sich Missionare der EU und der USA auf eine gemeinsame Friedensmission, manche würden sagen Strafexpedition, ins serbische Belgrad und das kosovarische Prishtina – mit dem Ziel, die unversöhnlichen Streitparteien dazu zu zwingen, das Kriegsbeil zu begraben.

Im Zentrum der transatlantischen Versöhnungsaktion steht ein geheim gehaltener deutsch-französischer Plan, auf dessen Grundlage der kosovarische Knoten durchschlagen werden soll. Brüssel und Washington haben dieses Produkt des deutsch-französischen Brainstormings als ein offizielles „europäisch-amerikanisches Dokument“ auf den Verhandlungstisch gelegt.

Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, machte sich eine Delegation mit ungewöhnlicher Besetzung zu Serbiens Staatspräsidenten Aleksandar Vučić und dem kosovarischen Regierungschef Albin Kurti auf: je ein Vertreter der EU, USA, Deutschlands, Frankreichs und Italiens. Die Botschaft an den serbischen und albanischen „Partner“ war klar: Wagt es nicht, euch dieser Macht zu widersetzen! Wir wollen Ruhe auf dem Westbalkan.

Da die ganze Geheimnistuerei um das Dokument der Phantasie aller möglichen Individuen auf der politischen Bühne freien Lauf ließ, wurde am Donnerstag eine, dem Thema Kosovo gewidmete, „historische“ Sondersitzung des serbischen Parlaments einberufen.

Ohne jegliche Befugnisse

Der Staatspräsident höchstpersönlich, der allein und laut Kritikern ohne jegliche Befugnisse im Namen Serbiens mit Prishtina verhandelt, sollte die Volksvertreter darüber aufklären, welches die Forderungen des Westens hinsichtlich der Wiege des Serbentums sind, und was dieses verdächtige, deutsch-französische Schreiben eigentlich beinhaltet.

Doch aus der epochalen Sitzung wurde nichts, wie ein serbischer Kolumnist schrieb. Denn „außer den großen Pferdestatuen vor dem serbischen Parlament fand im Parlamentssaal alles Platz, was ein provinzieller Zirkus sonst noch für eine Show benötigt: Clowns, Pelikane, Dompteure, Feuerschlucker und der stärkste Mann der Welt – Aleksandar Vučić“.

Ohne irgendetwas zu sagen, was man schon vorher nicht tausendmal gehört hätte, berichtete der große Boss Serbiens über eineinhalb Stunden lang wie er sich heldenhaft den Weltmächten widersetzt habe, die ihm ihre Sicht des von Serbien unabhängigen Kosovo hätten aufzwingen wollen.

Ohne zu präzisieren, was in dem europäisch-amerikanischen Kosovo-Plan steht, malte er dann allerdings ein düsteres Bild von dem, was auf Serbien zukomme, sollten die Serben das Dokument, dessen Inhalt sie nicht kennen, ablehnen: Stopp von Auslandsinvestitionen, kein Geld mehr aus EU-Fonds, ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit Brüssel, ein sinkender Lebensstandard, ein Ende der Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds, gar die Wiedereinführung der Visapflicht für EU-Staaten. Mit all dem hätten ihm die fünf Westler unmissverständlich gedroht, sagte Vučić.

Patriotische Lieder

Patriotische Rechtspopulisten meinten im Referat des Catch-All-Populisten Hochverrat zu erkennen, grölten patriotische Lieder über den Kosovo als Herz Serbiens, sprangen von ihren Bänken auf und umzingelten den Präsidenten mit Transparenten, auf denen „Verräter“ stand. Es kam zu Drängeleien und sanften Handgreiflichkeiten.

Der Staatspräsident beobachtete mit einem zynischen Lächeln ruhig das Tohuwabohu und befahl dem Parlamentspräsidenten, die Sitzung ja nicht zu unterbrechen. Das Zirkusspektakel schien er sichtlich zu genießen. Die Sitzung am Donnerstag dauerte dann noch bis spät in die Nacht und wurde am Freitag fortgesetzt.

Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, dass Vučić mit der ganzen Schwarzmalerei den Serben Angst einjagen möchte, welche Folgen eine Ablehnung der ultimativen Forderungen des Westens für ihre Existenz haben könnte, damit sie die deutsch-französische Kosovo-Pille leichter schlucken können.

Aus dem, was an die Medien durchgesickert ist, kann man nur eines schließen: Das Dokument sieht zwar keine de jure, aber eine de facto Anerkennung des Kosovo, und auch seines Sitzes bei den Vereinten Nationen vor. Diese Vorgabe zu akzeptieren, würde Vučić großes Kopfzerbrechen bereiten. Sie jedoch abzulehnen, falls der Westen es mit Strafmaßnahmen denn ernst meint, würde er politisch sicher nicht überleben.

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5 Kommentare

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  • Eine kleine Anmerkung. So etwas wie einen de facto UN- Sitz gibt es nicht, sondern nur einen richtigen und der ist mit einer Anerkennung de Jure verbunden. Es sei den es ist ein Beobachterstatus gemeint, der ist keine Anerkennung und auch nicht mit einer Stimme verbunden. ich denke aber so lange Putin am Ruder ist wird es für den richtigen Sitz keine Zustimmung Russlands im Sicherheitsrat geben, die dafür notwendig ist. Selbst wenn es sich Serbien jetzt anders überlegen sollte.

  • "Straßenblockaden im Norden des Kosovo, ethnisch motivierte Schießereien und Festnahmen oder institutionelle Krisen sollen nicht länger geduldet werden."

    In Deutschland wird das wohl so gelesen, als ob das alles nur von den Serben ausgehen würde. Das Opfer solcher "ethnisch motivierten Schießereien" war zuletzt ein serbisches Kind. Wenn der Westen so etwas nicht länger dulden will, warum setzt man dann nur den Serben derart die Pistole auf die Brust? ( www.fr.de/politik/...rpce-92014777.html )

    "Deshalb begaben sich Missionare der EU und der USA auf eine gemeinsame Friedensmission, manche würden sagen Strafexpedition, ins serbische Belgrad und das kosovarische Prishtina – mit dem Ziel, die unversöhnlichen Streitparteien dazu zu zwingen das Kriegsbeil zu begraben."

    Man verlangt nicht, dass zwei Streitparteien das Kriegsbeil begraben. Die Forderungen sind allein an Serbien gerichtet und verlangen im Grunde die endgültige Kapitulation vor der Herrschaft der westlichen Länder.

    Kein Wort darüber, warum der Inhalt dieses Papieres geheim gehalten wird. Was einem gegeben wird, sind lediglich die Andeutungen von Vucic über den Inhalt des Papieres, der selbst ein großer Nutznießer der Investitionen aus Brüssel ist. Das er sich als erster Sorgen über wegfallendes Geld der EU macht, ist da kein Wunder. Nicht jeder, der dieses Vorgehen hinterfragt, ist gleich ein serbischer Nationalist. Gerade von der EU, die sich im Krieg in der Ukraine so gern als Verfechter der Souveränität von Staaten gibt, sollte man hier mehr Transparenz einfordern, was den Inhalt dieses Drohbriefes angeht, auch gerade um Nationalisten und Populisten keinen Raum für Spekulationen zu geben.



    Wenn man sich über diesen Circus beklagt, dann sollte man als erstes gegen die Geheimhaltung der Pläne sein. Wer lieber eine Politik im Sinne des Neokolonialismus vertritt, dem kommt es ganz gelegen, das ganze als Circus abzutun.

  • Der Herr Vučić spielt seit Jahren das gleiche Spiel mit der EU ,RU, USA , China.

    Jetzt hat die EU endlich verstanden( leider viel zu spät) sich mal ernsthaft zu interessieren für den Balkan.



    Hoffentlich ist es nicht zu spät.

    • @Bosnjak:

      Weil das bei Kindern auch so gut klappt - sie zu irgendwas zu zwingen. Das sorgt immer für nachhaltige Einsicht. Danach sind sie lieb und machen was man will.

      Und vor allem, weil es reicht die politische Führung zu zwingen (aka zu überzeugen). Die handelt ja komplett allein ohne Rückhalt in der Bevölkerung..

      • @Diana Klingelstein:

        Nachdem Sie der Bevölkerung, die nach dem Krieg die Kosovofrage gar nicht mehr so wichtig nahm wie die Nationalisten, beharrlich das Hirn gewaschen hat, muss die selbe Regierung nun die Bevölkerung von den Vorzügen einer Anerkennung des Kosovos überzeugen um nicht als Verräter zu gelten und ihre Macht zu verlieren. Hört sich doch mal nach einem vernünftigen Ansatz an. Ich befürchte allerdings, der besagte Plan fährt immer noch eine viel zu softe Linie, mit der Forderung nach einer de facto Anerkennung, statt es gleich de Jure fest zu machen. Man kann nun mal nicht haben was einem nicht gehört, da leben über 90% Albaner die kein Teil Serbiens mehr sein wollen, und das Volk ist nun mal der Souverän in einer Demokratie, Ende der Diskussion. Dass es soweit kam haben die Serben sich selbst eingebrockt. Und die Geschichte mit dem Kosovo als der "Wiege Serbiens" ist doch, machen wir uns nichts vor, in weiten Teilen, auch eine Bastelgeschichte. Mythologie kann aber in einem modernen demokratischen Staat nicht mehr über dem Willen des Souveräns stehen. (Putin will das in der causa Ukraine auch noch nicht akzeptieren. Kosovo ist übrigens eines seiner liebsten Rechfertigungsvehikel.). Aber irgendwann muss Schluss sein, damit der Kosovo endlich eine Chance auf Entwicklung hat. (Von mir aus sollen sie noch Mitrovica und das Preševo- Tal austauschen, dann ist endlich Ruhe)