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Konflikt zwischen Russland und UkraineVerbales Aufrüsten

Die Spannung zwischen Russland und der Ukraine – und deren jeweiligen Verbündeten – steigt. Beide Seiten sprechen Drohungen aus.

Nimmt eine Maske, aber kein Blatt vor den Mund: US-Außenminister Antony Blinken in Riga Foto: Ints Kalnins/reuters

Kiev taz | Zwei Tage hatten sich die Außenminister der 30 Nato-Staaten im lettischen Riga getroffen – am Dienstag und Mittwoch. Auf der Agenda standen viele Themen, aber allein der Ort des Zusammenkommens dürfte ein Zeichen der Aufmerksamkeit für die baltischen Länder gewesen sein.

Ebenfalls in Riga mit anwesend war bei diesem Treffen der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Zwar ist die Ukraine kein Nato-Mitglied, und als Vertreter eines solchen Landes konnte Kuleba nicht am Entscheidungsprozess teilnehmen. Gleichwohl ist man in der ukrainischen Regierung nicht unzufrieden über den Verlauf der Konferenz.

Kuleba war nicht nur nach Riga eingeladen, die Ukraine konnte im Vorfeld der Konferenz auch die Aufmerksamkeit von Nato-Generalsekretär Stoltenberg und den USA gewinnen. Die hatten die ukrainischen Befürchtungen eines möglicherweise bevorstehenden russischen Einmarsches in die Ukraine ernst genommen und Russland für einen derartigen Fall Konsequenzen angedroht. Russland werde für eine Aggression gegen die Ukraine einen Preis bezahlen müssen, müsse mit politischen und wirtschaftlichen Folgen rechnen, hatte Stoltenberg bereits vor der Konferenz erklärt.

Man sei über die militärische Aufrüstung Russlands und dessen Truppenbewegungen sehr besorgt, so US-Außenminister Blinken und sein lettischer Kollege Edgars Rinkēvičs bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Auch die von Präsident Selenski geäußerte Befürchtung, dass die Ukraine möglicherweise vor einem ein von Russland gesteuerten Putschversuch stehe, kommentierte Blinken mit den Worten, es sei eine Taktik Russlands, die Ukraine im Land zu destabilisieren. Russland plane „erhebliche aggressive Schritte gegen die Ukraine“, sagte Blinken am Mittwoch weiter, dafür gebe es „Beweise“. Er drohte Moskau für den Fall eines Angriffs mit scharfen US-Wirtschaftssanktionen.

Drohung, Atomwaffen zu stationieren

Auch ohne Nato-Mitgliedschaft ist die Ukraine gut in Bündnisse mit westlichen Staaten eingebunden. Derzeit baue man ein flexibles Netz regionaler Bündnisse auf, darunter das „Lub­liner Dreieck“ mit Polen und Litauen, das „assoziierte Trio“ mit Geor­gien und Moldau und die „Quadriga“ mit der Türkei, so Außenminister Dmytro Kuleba auf dem Portal gordonua.com.

Eine völlig andere Bedrohungssituation sieht man hingegen in Russland. Russland sei beunruhigt über die ukrainischen Truppenkonzentrationen im Konfliktgebiet, erklärte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, am Mittwoch. Die Nato habe Waffen an die Grenze zu Russland verlegt, zitiert das Portal gazeta.ru Russlands Außenminister Sergei Lawrow. Die Handlungen der Nato könnten die Ukraine zu militärischen Abenteuern bewegen, fürchtet Außenminister Lawrow. Und das sei eine direkte Bedrohung Russlands. Außerdem kritisierte Lawrow die Äußerungen von Stoltenberg, denen zufolge dieser Atomwaffen nach Ost­europa verlegen lassen will.

Aber auch Belarus’ Diktator Lukaschenko liebäugelt mit Atomwaffen. Sollten in Polen atomare Gefechtsköpfe stationiert werden, werde er den russischen Präsidenten Putin bitten, ebenfalls in Belarus Atomwaffen zu stationieren. Weiterhin erkannte Lukaschenko die Krim als Teil von Russland an und kündigte eine gemeinsame Reise mit Putin auf die Krim an. Und sollte es zu einem Krieg in der Region kommen, so Lukaschenko, stehe sein Land an der Seite Russlands.

Unterdessen sorgte der ukrainische Präsidenten Wolodimir Selenski bei seiner jährlichen Ansprache an das Parlament mit einer Äußerung für Kontroversen. „Wir können den Krieg ohne direkte Verhandlungen mit der Russischen Föderation nicht beenden“, sagte er da.

Kein Putschversuch am 1. Dezember

Während Selenskis Partei „Diener des Volkes“ und die russlandfreundliche „Oppositionsplattform für das Leben“ diese Äußerung begrüßten, kam Kritik von allen anderen Oppositionsparteien. Putin wolle doch nur über eines reden, nämlich über die ukrainische Kapitulation, meinte Olexander Turtschinow, der 2014 kurzzeitig kommissarisch ukrainischer Präsident war. Auch die Fraktion „Holos“ lehnt direkte Verhandlungen mit Russland strikt ab. Man dürfe nur in Zusammenarbeit mit westlichen Partnern mit Russland verhandeln, kommentierte Fraktionssprecherin Jaroslawa Schelsnjaka. Und Irina Geraschtschenko, Co-Vorsitzende der Poroschenko-Partei „Europäische Solidarität“ nannte Selenskis Vorschlag gar „Verrat“, der letztendlich die „absolute Kapitulation“ bedeute.

Mit Interesse bemerken ukrainische Medien, dass Präsident Selenski in seiner Ansprache an das Parlament mit keinem Wort auf einen von ihm selbst für den 1. Dezember befürchteten Putschversuch eingegangen ist. Noch Ende vergangener Woche hatte Präsident Selenski von Vorbereitungen zu einem Putsch gesprochen, in den auch der mächtigste Mann der ukrainischen Wirtschaft, der Oligarch Rinat Achmetow hineingezogen werden solle. Hinter diesem Putschversuch, so der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal vor wenigen Tagen, stehe Russland.

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