Konflikt um Bosnien und Herzegowina: Wegsehen im Sicherheitsrat
Der Sicherheitsrat verlängert das Mandat der Friedenstruppen. Kritik an den bosnischen Serben wird allerdings nicht zugelassen.
Um die Zustimmung Russlands und Chinas zu erreichen, mussten die westlichen ständigen Mitglieder des Gremiums, die USA, Großbritannien und Frankreich, Konzessionen machen. So durfte der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, der seit dem 1. August amtierende deutsche Politiker Christian Schmidt, nicht vor dem Gremium sprechen, um die Lage im Lande zu erörtern. Seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 war es üblich, dass der Hohe Repräsentant alle sechs Monate einen Bericht vorlegt.
Christian Schmidt wollte vor einer gefährlichen Eskalation warnen. „Bosnien und Herzegowina sieht sich seiner schwersten existenziellen Bedrohung der Nachkriegsperiode konfrontiert“, schrieb der deutsche Diplomat (sein Bericht liegt der taz vor). Für die Zuspitzung der Spannungen in Bosnien macht der Bericht den Führer der bosnischen Serben, Milorad Dodik, verantwortlich. Dodik bereite die Schaffung einer eigenen Armee des serbischen Teilstaates vor und werde damit die gemeinsame, aus Bosniaken, Kroaten und Serben bestehende Armee des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina faktisch auflösen, heißt es im Bericht.
Durch den Boykott gesamtstaatlicher Institutionen wie Präsidentschaft oder Parlament wolle er zudem den Gesamtstaat handlungsunfähig machen. Sollte die internationale Gemeinschaft diese Politik weiter akzeptieren, werde sich der serbische Teilstaat „aus der verfassungsmäßigen Ordnung Bosniens entfernen“ und den Friedensvertrag von Dayton unterlaufen, schrieb Schmidt in dem Bericht.
Russland: Hohen Repräsentanten abschaffen
Seine Schlussfolgerungen aber wollten die russischen und chinesischen Vertreter im höchsten UN-Gremium nicht hören. Russland lehnt jetzt das Amt des Hohen Repräsentanten ab und will es auflösen.
Das Amt steht für eine internationale Zusammenarbeit zur Sicherung des Friedens und der Stabilität. Wenn Russland es jetzt abschaffen wolle, sei der Sicherheitsrat die falsche Adresse, erklärten die USA, Frankreich und Großbritannien. Denn das Amt unterstehe gar nicht dem Sicherheits-, sondern dem Friedensimplementierungsrat, in dem über 50 Nationen zusammenarbeiten.
Dass das Mandat der Eufor-Truppen verlängert wurde, ist von der bosniakischen und nichtnationalistischen Bevölkerungsmehrheit in Sarajevo mit Erleichterung aufgenommen worden. Man habe etwas Zeit gewonnen, heißt es in den Medien. Aber am 15. November schon will Dodik alle Maßnahmen zur Loslösung der serbischen Teilrepublik durchs Parlament des Teilstaates peitschen.
Julian Borger, Redakteur der britischen Zeitung The Guardian, der britischen Regierungskreisen nahesteht, erklärte in einem Interview mit dem bosnischen Fernsehsender N1, Sanktionen gegen Dodik könnten bald von britischer und US-amerikanischer Seite ausgesprochen werden. Seiner Meinung nach sollte die internationale militärische Präsenz überdacht werden. Die Situation in Bosnien und Herzegowina könnte nach seinen Informationen bald auf die Tagesordnung der Nato gesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Hamas und Israel werfen sich gegenseitig vor, Gespräche zu blockieren