Konflikt in der Ukraine: OSZE-Chef fährt nach Moskau
In mehreren ukrainischen Städten halten die Belagerungen an. Die Diplomatie läuft weiter: Merkel telefoniert mit Putin, der OSZE-Chef reist zu Gesprächen nach Russland.
KIEW dpa | Ungeachtet aller Appelle für eine friedliche Lösung in der Ukraine gehen die militärischen Auseinandersetzungen vor allem im Osten des Landes weiter. Die Separatisten haben nach eigenen Angaben Gebäude in wichtigen Städte unter ihrer Kontrolle. Der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Didier Burkhalter, wird nach Kremlangaben am Mittwoch (7. Mai) zu Gesprächen über die Ukrainekrise nach Moskau reisen.
Unterdessen forderte der russische Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut Kreml einen Dialog der Konfliktparteien in der Ukraine. Putin bekräftigte seine Haltung, wonach die prowestliche Führung in Kiew dringend das Gespräch mit den moskautreuen Protestführern im Südosten des Landes suchen müsse.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wirbt zur Beilegung des Konflikts für eine zweite Genfer Konferenz. Die ursprünglichen Vereinbarungen der USA, Russlands, der Ukraine und der EU – darunter Gewaltverzicht und Entwaffnung aller illegal Bewaffneten – sind bisher nicht umgesetzt worden. Es sei daher nötig, „dass man dem ersten Genfer Treffen jetzt ein zweites Genfer Treffen folgen lässt, in dem endlich klare Verabredungen getroffen werden, wie man diesen Konflikt zum Stillstand bringt und nach und nach einer politischen Lösung zuführt“, sagte Steinmeier im ARD-„Bericht aus Berlin“.
Nach dem Ende der Geiselnahme von OSZE-Militärbeobachtern kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, dass die von der Bundeswehr geführte Mission nachträglich überprüft wird. „Wir werden sicherlich die Situation - diese spezifische – nochmal analysieren müssen“, sagte sie am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Vor allem müssen wir uns die Frage stellen, wie man stärker darauf pochen kann, dass das Gastland die Sicherheitsgarantien auch umsetzen kann.“
Prorussische Separatisten in Slawjansk hatten die westlichen Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, acht Tage lang festgehalten. Die Geiseln waren erst nach großem internationalem Druck und russischer Vermittlung am Samstag freigelassen worden.
Besetzte Gebäude in mehreren Städten
Prorussische Separatisten haben nach eigenen Angaben zentrale Gebäude in Donezk (1 Million Einwohner) sowie in weiteren Großstädten wieder unter ihrer Kontrolle. „Wir haben die Verwaltungsgebäude in den entscheidenden regionalen Zentren eingenommen“, sagte der Anführer der selbst ernannten Volksmiliz, Miroslaw Rudenko, am Sonntag der Agentur Interfax. Allgemein sei die Lage ruhig, die Gefechte seien am Abend vorübergehend eingestellt worden.
Neben Slawjansk (120 000 Einwohner) seien auch in Kramatorsk (160 000 Einwohner) die wichtigsten Gebäude in den Händen der Separatisten. Dagegen hatte die prowestliche Regierung in Kiew am Morgen mitgeteilt, die Streitkräfte hätten die Ordnung in Kramatorsk nördlich von Donezk wieder hergestellt. Die Agentur Ria Nowosti meldete, in Kramatorsk sei die Zentrale des Inlandsgeheimdienstes SBU in Flammen aufgegangen.
Mit Kampfhubschraubern und Panzerfahrzeugen gingen Regierungstruppen am Sonntag erneut gegen prorussische Separatisten vor, es gab Tote und Verletzte. Der „Anti-Terror-Einsatz“ werde fortgesetzt, kündigte Innenminister Arsen Awakow in Kiew an.
Polizeizentrale in Odessa gestürmt
Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der prowestlichen Regierung in Kiew gehen auf andere Landesteile über. In der Schwarzmeermetropole Odessa stürmte eine mit Knüppeln bewaffnete Menge am Sonntag den örtlichen Sitz der Polizei, um moskautreue Gesinnungsgenossen zu befreien. Spezialeinheiten drängten die Angreifer laut örtlichen Medienberichten zuerst zurück. Unter dem Druck der Demonstranten ließ die Polizei dann aber doch nach offiziellen Angaben 67 Personen frei.
Bereits am Freitag lieferten sich die Kontrahenten in Odessa schwere Straßenschlachten. Dabei wurde das zentrale Gewerkschaftshaus in Brand gesetzt, wo Dutzende Menschen starben. Die Staatsanwaltschaft zählte insgesamt 46 Tote und 214 Verletzte.
Angesichts der nicht enden wollenden Gewalt streiten Russland und die ukrainische Führung darüber, wer dafür verantwortlich ist. Kiew verantworte ein „Blutvergießen, das schießende Truppen an unbewaffneten Menschen“ anrichteten, erklärte das Außenamt in Moskau. Awakow sagte jedoch: „Wir werden weiter gegen Extremisten und Terroristen vorgehen, die Gesetze ignorieren und das Leben der Bürger gefährden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos