Konflikt in der Ukraine: Obama und Hollande verschärfen Ton
Der US-Präsident und sein französischer Amtskollege drohen Russland mit weiteren Sanktionen. Die Regierung in Kiew lehnt Gespräche mit den Separatisten ab.
BRÜSSEL/WASHINGTON/KIEW rtr/afp | US-Präsident Barack Obama und der französische Präsident Francois Hollande drohen Russland in der Ukraine-Krise mit weiteren Sanktionen. Falls Russland nicht unverzüglich Schritte unternehme, die Spannungen in der Ost-Ukraine zu verringern, müsse Europe die Kosten für Russland erhöhen, teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat der beiden Präsidenten mit.
Obama und Hollande hätten übereingestimmt, Russland müsse „destabilisierende Aktivitäten“ beenden. Außerdem müsse Russland seine Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine und seine Unterstützung der pro-russischen Separatisten verringern. Obama hatte bereits vor wenigen Tagen gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel von Russland einen größeren Beitrag zur Deeskalation in der Ostukraine gefordert und andernfalls mit weiteren Sanktionen gedroht.
Diplomaten zufolge hat sich die Europäische Union auch im Grundsatz auf eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland verständigt. Bei einem Treffen auf Botschafterebene sei am Montag Einigkeit darüber erzielt worden, weitere Personen mit Einreise- und Kontensperrungen zu bestrafen, verlautete am Montag aus Diplomatenkreisen in Brüssel. Die Entscheidung darüber, gegen wen die Strafen verhängt werden sollen, werde bei einem weiteren Treffen am Mittwoch gefällt, hieß es weiter. Es sei davon auszugehen, dass vor allem weitere Separatisten aus der Ostukraine auf der Sanktionsliste landen würden, sagte ein Diplomat.
Mehr Personen als Unternehmen
Russland wird vorgeworfen, die Separatisten im Kampf gegen die Regierung in Kiew zu unterstützen, nachdem die Führung in Moskau bereits die Halbinsel Krim nach einem umstrittenen Referendum in die Russische Föderation eingegliedert hatte. Russland bestreitet, den Separatisten zu helfen, behält sich aber Maßnahmen zum Schutz der russischsprachigen Bevölkerung vor.
Bislang hat die EU nur vergleichsweise schwache Sanktionen wie Kontosperren und Reisebeschränkungen gegen insgesamt 61 Personen verhängt. Zudem wurden zwei Energieunternehmen auf der Krim mit Sanktionen belegt. Bei einer weiteren Eskalation sollen auch Wirtschaftssanktionen verhängt werden. In der anstehenden Beratungsrunde am Mittwoch würden aber sehr wahrscheinlich deutlich mehr Personen als Unternehmen auf die Liste kommen, verlautete in Brüssel.
Unterdessen vereinbarten EU-Energiekommissar Günther Oettinger und der russische Energieminister Alexander Nowak für Ende kommender Woche eine neue Verhandlungsrunde über Gaslieferungen nach Europa. Dabei werde es um zentrale Themen rund um die Beziehungen Russlands und der Europäischen Union im Energiesektor gehen, teilte die Regierung in Moskau mit.
Oettinger trat zuletzt als Vermittler im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine auf. Der Konflikt droht sich auf die Gasversorgung Europas auszuwirken, da ein großer Teil des für Europa bestimmten Gases aus Russland über die Ukraine nach Westen kommt.
Austausch der Spitze des „Anti-Terror-Zentrums“
Die ukrainische Regierung lehnt jegliche Verhandlungen über eine neue Feuerpause mit den Separatisten im Osten des Landes ab, solange diese nicht ihre Waffen niederlegen. Die prorussischen Rebellen müssten zunächst ihr komplettes Arsenal abgeben, bevor die Gespräche aufgenommen werden könnten, erklärte Verteidigungsminister Waleri Geletej am Dienstag. Wie die Zentralregierung ihre Gegner dazu zwingen will, blieb zunächst unklar. Bis auf weiteres werde die „Anti-Terror-Offensive“ weitergeführt, kündigte Geletej an.
Seit dem Wochenende hat die ukrainische Armee eine Reihe militärischer Erfolge gegen die Separatisten erzielt und die meisten von ihnen in die russischsprachigen Städte Donezk und Lugansk zurückgedrängt. Präsident Petro Poroschenko wies seine Truppen an, die Aufständischen dort einzukesseln und von jeglichen Waffenzufuhren abzuschneiden.
Petro Poroschenko hat zudem einen neuen Kommandeur für den Militäreinsatz gegen die Separatisten im Osten des Landes ernannt. Die Leitung des „Anti-Terror-Zentrums“ werde Wasil Grizak übernehmen, teilte das Präsidialamt in Kiew am Dienstag mit. Grizak arbeitet seit 20 Jahren im staatlichen Sicherheitsapparat. Er löst Wasil Krutow ab, der seit Mitte April den Militäreinsatz gegen die prorussischen Rebellen leitete.
In der vergangenen Woche hatte Poroschenko bereits den Verteidigungsminister und den Generalstabschef der Streitkräfte ausgewechselt. Wenige Tage später erzielte die Armee mit der Rückeroberung der Stadt Slawjansk ihren bislang größten Erfolg im Kampf gegen die Separatisten. Die Rebellen streben eine Unabhängigkeit von der prowestlichen Regierung in Kiew und eine Eingliederung in die Russische Föderation nach dem Vorbild der Halbinsel Krim an
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen