piwik no script img

Konflikt in MaliKämpfe und Verhandlungswillen

In Mali wird nach einer politischen Lösung für die Krise gesucht. Gleichzeitig werden Nato-Truppen angefordert. Ein schnelles Eingreifen ist unwahrscheinlich.

Kämpfer der Gruppe Ansar Dine. Sie ist wegen ihrer radikalen Auslegung der Scharia in der Bevölkerung verhasst. Bild: dapd

COTONOU taz | Die Zeichen in Mali stehen auf Angriff: Yayi Boni, Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) und Präsident von Benin, hat laut einem BBC-Bericht vom Mittwoch die Nato nun offiziell aufgefordert, Truppen nach Mali zu schicken. Diese sollen bei der Bekämpfung von Islamisten und Terroristen helfen, die den Norden seit neun Monaten besetzen.

Der Mali-Konflikt sei „eine internationale Frage“. Zu den Besetzern gehören unter anderem Anhänger des internationalen Terrornetzwerks al-Qaida. Deshalb müsse die Nato eingreifen, wie sie es auch in Afghanistan getan habe.

Es ist eine Forderung, die in Mali viel Beifall bekommt. Regelmäßig ist in der Hauptstadt Bamako für eine Militärintervention mit internationaler Beteiligung demonstriert worden. Rund um Mopti und Sévaré – die beiden nördlichsten Städte in Zentralmali, die noch unter der Kontrolle der Regierung von Bamako stehen – wollen vor allem Flüchtlinge aus Gao und Timbuktu lieber heute als morgen eine Militärintervention.

Befreiung durch 3.300 Soldaten

Dass die Zeit drängt, hat unlängst auch Interimspräsident Dioncounda Traoré betont. Er sei nicht mehr bereit, monatelang zu warten, bis der Norden, der zwei Drittel der Gesamtfläche ausmacht, von „Terroristen, Drogenhändlern und anderen Kriminellen“ befreit wird.

Doch ein schnelles Eingreifen wird immer unwahrscheinlicher. Zwar hatte der UN-Sicherheitsrat Ende Dezember einer Militärintervention zugestimmt. Unter Federführung der Westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas sollen 3.300 Soldaten das Gebiet nördlich von Mopti und Sévaré befreien. Doch Beobachter gehen davon aus, dass ein Eingreifen frühestens im September 2013 möglich ist.

Bis dahin hat Nigeria offenbar bereits einen ersten Rückzieher gemacht. Der westafrikanische Wirtschafts- und Einwohnerriese wollte eigentlich 600 Soldaten stellen. Doch aufgrund der eigenen Sicherheitsprobleme durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram im Norden und verstärkte Piratenangriffe vor der nigerianischen Küste sollen es nur noch 450 sein, heißt es in der nigerianischen Tageszeitung This Day.

Dabei hatten ausgerechnet nigerianische Ecowas-Vertreter in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, ein schnelleres Eingreifen voranzutreiben, und gerne betont: Die Soldaten der Ecowas sind für den Kampf bereit.

Erste Gespräche

Trotz des großen Wunsches nach einer Intervention soll im Nachbarland Burkina Faso noch einmal nach einer friedlichen Lösung gesucht werden. Geplant ist, dass sich ab dem heutigen Donnerstag unter Aufsicht des burkinischen Präsidenten und Chef-Vermittlers in der Mali-Krise, Blaise Compaoré, Vertreter von Ansar Dine (Verfechter des Glaubens), der Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) und der Übergangsregierung von Bamako in Ouagadougou treffen.

Schon Anfang Dezember hatte es erste Gespräche gegeben – ohne Erfolg. Von diesem gehen Beobachter auch jetzt nicht aus, da die Positionen beider Gruppen als zu radikal gelten. Die MNLA bekennt sich zum Staat Azawad, den viele Einwohner im Norden nicht wollen. Ansar Dine hatte zwar angekündigt, künftig jede Form von Extremismus und Terrorismus abzulehnen.

Dennoch ist die Gruppe verhasst, und mit ihrer radikalen Scharia-Auslegung können sich nicht einmal strenggläubige Muslime anfreunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • T
    Teermaschine

    @)Olaf Bernau

     

    Herr Bernau, Sie werden dringend in Kano erwartet, wo stündlich mit der Ankunft friedlicher Islamisten gerechnet wird, die sich unter ihrer Führung am "Weißen Marsch" beteiligen möchten. Auch könnte Ihr persönlicher Einsatz an vorderster Friedensfront noch bestehende Ängste bei der Zivilbevölkerung zerstreuen...oder dient ihr heldenhafter Einsatz in der Etappe mehr als nur der Befriedung ihres eigenen Gewissens?

  • OB
    Olaf Bernau (Afrique-Europe-Interact)

    Katrin Gänsler hat recht: Viele Male ist in der Hauptstadt Bamako für eine Militärintervention mit internationaler Beteiligung demonstriert worden. Einziger Haken: Auch das Gegenteil trifft zu – wie uns malische AktivistInnen unseres transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact bereits seit Monaten in z.T. täglichen Telefonaten aus Mali berichten. Mehr noch: Bis heute sprechen sich viele Menschen in dem westafrikanischen Land ausdrücklich gegen eine militärische Unterstützung von außen (sic) aus, denn befürchtet wird, dass eine Stationierung von ECOWAS-Truppen von Teilen der alten politischen Elite genutzt werden könnte, die seit dem Putsch im März auf den Weg gebrachten demokratischen Erneuerungen wieder rückgängig zu machen. Ganz ähnlich bei der Frage des Krieges: Einerseits wünschen sich viele ein direktes militärisches Eingreifen, vorzugsweise durch die malischen Streitkräfte (bei allem Wissen um deren umfassende Schwäche). Zugleich haben aber auch viele schlicht Angst vor einer militärischen Eskalation, gerade die im Norden lebenden Menschen bzw. ihre Angehörigen im Süden. Kurzum: Nach unseren Eindrücken kann kein eindeutiges Bild der Situation in Bamako gezeichnet werden, vorherrschend ist vielmehr ein Kaleidoskop unterschiedlichster, zum Teil auch täglich wechselnder Stimmungen. Alles andere wäre für eine am Abgrund wandelnde Gesellschaft auch eigenartig. Insofern ist es auch kaum nachvollziebar, weshalb ausgerechnet die taz derart offen Partei für eine militärische Lösung der aktuellen Krise in Mali ergreift – bei allem Wissen um die auch aus Afghanistan, Irak oder Somalia hinlänglich bekannten Fallstricke eines solchen Vorgehens. In diesem Sinne sei auch ausdrücklich auf das derzeit von Basisinitiativen in Bamako, Segou und Mopti vorbereitete Projekt eines „Weißen Marsches“ (marche blanche) hingewiesen, das für eine nicht-militärische Lösung der Krise plädiert – allen militärischen Verlockungen zum Trotz. Mehr Infos hierzu finden sich auf der Webseite unseres Netzwerks Afrique-Europe-Interact: www.afrique-europe-interact.net