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Konferenz zur Zukunft EuropasBrüssel startet Online-Dialog

Die EU sammelt auf einer Website Reformideen. Die Vorschläge sollen dann in die Bürgerkonferenzen gehen, die in allen Mitgliedsländern geplant sind.

Mehr als nur Bürokratie? Flaggen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel Foto: Yves Herman/reuters

Brüssel taz | Ferdinand von Schirach war schneller. Der Jurist und Autor hat schon im März ein Online-Portal eröffnet, auf dem EU-Bürger neue Rechte einfordern können. Auch die Campaigner von „You Move Europe“ sind schon lange mit Petitionen für eine bessere EU am Start. Doch nun ist auch Brüssel mit einem Forum online. Zum Auftakt der Konferenz zur Zukunft Europas, die ab dem 9. Mai Vorschläge zur Reform der EU erarbeiten soll, haben die drei Brüsseler Institutionen – Kommission, Rat und Parlament – am Montag eine neue partizipative Plattform freigeschaltet.

„Die Zukunft liegt in deinen Händen“, heißt es auf der Internet-Seite futureu.europa.eu, die ausgesprochen schlicht daher kommt und an das Portal der EU-Kommission erinnert. „Dies ist Ihre Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen und mitzuteilen, in welchem Europa Sie leben möchten, um so unsere Zukunft mitzugestalten.“

Nach einer Registrierung kann jede/r einen Vorschlag machen oder eine Veranstaltung kreieren. Alle Beiträge werden in die 24 offiziellen EU-Sprachen übersetzt, wobei das Portal auch auf maschinelle Übersetzung zurückgreift. Die Ideen gehen dann – nach Prüfung durch Moderatoren und „künstlich intelligente“ Algorithmen – in Bürgerkonferenzen, die in allen 27 EU-Ländern geplant sind.

„Dies ist keine Konsultation, sondern ein völlig neues interaktives Instrument“, sagte der liberale Europaabgeordnete Guy Verhofstadt, der die Konferenz mit anderen EU-Politikern leitet. Die Plattform werde das „Rohmaterial“ für die Bürgerkonferenzen liefern, deren Ergebnisse wiederum in Beratungen auf EU-Ebene einfließen.

Das letzte Wort haben die Profis

Das letzte Wort haben allerdings nicht die Bürger, sondern die Mitglieder der Zukunftskonferenz – also EU-Kommissare, Europaabgeordnete und Experten. Es geht von unten nach oben („bottom up“), doch am Ende entscheiden die Profis.

Auch die Themenauswahl ist nicht völlig frei. Die Plattform gibt einige Topthemen vor, darunter Klimaschutz, Gesundheit und Rechtsstaatlichkeit. Andere werden komplett ausgeblendet. Eine europäische Republik ist ebenso wenig vorgesehen wie die Direktwahl der EU-Kommission oder ein Legislativrecht für das Europaparlament.

Auch eine Änderung der EU-Verträge ist bisher nicht geplant. Dabei wird dieser Ruf immer wieder laut, etwa um Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik zu ermöglichen. Dies sei jedoch kein Problem, gibt sich Verhofstadt optimistisch. Da Vertragsänderungen bei der Vorbereitung der Zukunftskonferenz nicht erwähnt wurden, seien sie auch nicht ausgeschlossen.

Zufrieden ist auch der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. „Bürgerbeteiligung in dieser Dimension und in dieser Offenheit hat es in Europa bisher noch nie gegeben“, sagte er der taz. Gute Ideen dürften allerdings nicht in Aktenschränken einstauben. Mit ersten Entscheidungen wird im Frühjahr 2022 unter französischem EU-Vorsitz gerechnet.

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