Konferenz der Welthandelsorganisation: Die ungewisse Zukunft der WTO
Die WTO kommt nicht voran, zum Beispiel beim Abbau von Agrarsubventionen. Deshalb gibt es unzählige multilaterale Abkommen.
Denn seit 14 Jahren haben die Verhandlungen im globalen WTO-Rahmen fast überhaupt keine Ergebnisse erbracht. Und von den 162 WTO-Mitgliedsstaaten suchen inzwischen bereits über 60, die je nach Sektor zwischen 50 und 75 Prozent des globalen Handels ausmachen, ihre Interessen an der Öffnung neuer Märkte in regionalen, bi- und multilateralen Abkommen außerhalb der globalen WTO durchzusetzen.
Offiziell erklärtes Ziel des viertägigenTreffens in der kenianischen Hauptstadt ist zum wiederholten Male die Umsetzung der Verhandungsziele, die die vierte WTO-Ministerkonferenz Ende 2001 in Katars Hauptstadt Doha beschlossen hatte: des von den afrikanischen und einigen lateinamerikanischen Staaten geforderten Abbaus von Agrarsubventionen; der in erster Linie von der EU, den USA und Australien angestrebten weiteren „Liberalisierung“ des globalen Dienstleistungsmarktes; der weiteren Senkung von Zöllen für die Einfuhr von Industriegütern. Von diesen Zielen der „Doha-Runde“ wurde bislang fast nichts erreicht.
Auf der neunten Ministerkonferenz vor zwei Jahren in Bali einigten sich die WTO lediglich auf den marginalen Abbau einiger Agrarsubventionen in der EU, den USA und anderen Industriestaaten sowie auf ein Abkommen, das Vereinfachungen und die Reduzierung der Zollbürokratie im internationalen Warenverkehr vorsieht (Trade Facilitation Agreement, TFA).
Die Umsetzung des TFA könnte den Umfang der weltweiten Warenexporte pro Jahr erhöhen und neue Arbeitsplätze schaffen, hofft die WTO. Dennoch haben offenbar längst nicht alle WTO-Staaten großes Interesse an diesem globalen Abkommen.
Es könnte erst nach der Ratifikation durch zwei Drittel – also 108 der 162 Mitglieder der Handelsorganisation – in Kraft treten. Ratifiziert haben das TFA in den immerhin zwei Jahren seit der Vereinbarung von Bali bislang aber erst 60 Staaten. Ebenso viele WTO-Mitglieder – darunter federführend die wichtigsten Industriestaaten des Nordens – konzentrieren ihre handelsdiplomatischen Energien seit einigen Jahren auf den Abschluss von Abkommen außerhalb der WTO. Die USA vereinbarten im November nach siebenjährigen Verhandlungen mit Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam eine transpazifische „Freihandelszone“ (Transpazific Partnerschip, TPP).
Dasselbe Ziel einer „Freihandelszone“ streben die USA und die EU mit den seit 2012 geführten Verhandlungen über eine „Transatlantische Handels-und Investmentpartnerschaft“ (TTIP) an. Die USA wollen mit TTP und TTIP ihre globale Konkurrenzposition gegenüber China verbessern. Zwischen der EU und Kanada ist der Text für einen „Freihandelsvertrag“ (Ceta) inzwischen vereinbart, wenn auch noch nicht formal beschlossen und von den Parlamenten ratifiziert. Bei voller Umsetzung würden die drei Abkommen TTP, TTIP und Ceta rund 65 Prozent des globalen Welthandels ausmachen.
Liberalisierung bei den Dienstleistungen
Die EU versucht ihre Marktöffnungsinteressen auf dem afrikanischen Kontinent durch die sogenannten Europäischen Partnerschaftsabkommen (EPA) mit einzelnen afrikanischen Ländern oder Regionalgruppen durchzusetzen. An den im Jahr 2012 von den 28 EU-Staaten, den USA und Australien initiierten Genfer Verhandlungen über ein Abkommen zur möglichst weitgehenden Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TISA) sind neben diesen Staaten auch die Schweiz , Kanada, Japan sowie noch 17 Länder des Südens beteiligt.
Zusammen repräsentieren die 50 TISA-Verhandlungspartner derzeit über 75 Prozent des globalen Marktes mit Dienstleistungen. Nach Abschluss eines Abkommens sollen mit dieser Marktmacht – das scheint zumindest das Kalkül bei den TISA-Initiatoren in Brüssel, Washington und Canberra zu sein – die fünf Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika und andere Schwellenländer zum Beitritt zu TISA genötigt werden, ohne dass sie das Abkommen noch verändern könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier