Komponist Lalo Schiffrin gestorben: Der Rhythmus von „Mission Impossible“
Seine Filmmusiken machten ihn weltberühmt: Lalo Schifrin komponierte den Soundtrack vieler Klassiker des Kinos. Nun ist er gestorben.

„Du musst die Noten ohne irgendwas auf dem Bildschirm schreiben“, habe man ihm gesagt, so Schifrin im Interview der Television Academy. „Wir richten uns nach deiner Musik. Gib uns etwas Rhythmisches.“ Und rhythmisch wurde es. Die Musik im äußerst ungewöhnlichen 5/4-Takt klang aufregend und passte atmosphärisch perfekt zu den Geschichten um Spionage, verdeckte Operationen und den ständigen Wettlauf gegen die Zeit. Für seinen Soundtrack erhielt Schifrin einen Grammy. Das ikonische Intro wurde als Musikstück über die Serie hinaus bekannt.
Lalo war eigentlich sein Spitzname. Geboren wurde er am 21. Juni 1932 als Boris Claudio Schifrin in Buenos Aires. Seine musikalische Entwicklung begann in jungen Jahren am Klavier. Sein Klavierlehrer war Enrique Barenboim, der Vater des Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim. Schifrins Vater Luis hatte als Geiger gute Kontakte in die Welt der klassischen Musik, von denen der junge Lalo profitierte.
Auf dem College entdeckte er zusätzlich den Jazz für sich. „Und seitdem widme ich mich beiden Ausdrucksweisen“, sagte er 1967 dem Magazin „Jazz Professional“. „Das hat nichts Schizophrenes. Die Leute verstehen nicht, dass gute Musik ein großes Ganzes ist. Ich mache keinen Unterschied zwischen Jazz und klassischer Musik. Ob sie musikalisch gut ist, ist das Einzige, was zählt.“ Die Kombination der Stile prägte sein Schaffen. Er machte klassische Motive einem Mainstream-Publikum zugänglich und brachte Jazz-Rhythmen ins Kino.
Soziologie und Jazz
Zunächst beeinflusste der Jazz seine weitere Laufbahn maßgeblich. Nach einem Soziologie-Studium erhielt Schifrin mit Anfang 20 ein Stipendium am Pariser Konservatorium. Tagsüber studierte er dort Komposition, nachts spielte er in den Jazz-Clubs der französischen Hauptstadt. Zurück in Buenos Aires gründete er ein Jazz-Orchester, mit dem er wöchentlich in einer TV-Show auftrat.
Eine Begegnung mit dem Jazzmusiker Dizzy Gillespie erwies sich als wegweisend für seine zukünftige Karriere. Zunächst komponierte er das Album „Gillespiana“ für Gillespie, auf dem er auch Klavier spielte. Einige Jahre später holte ihn Gillespie als Pianist in sein Quintett. Schifrin zog dafür Anfang der 60er Jahre nach New York City und machte sich in den USA einen Namen – mit Jazz und auch mit Bossa Nova. Später nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
In seiner alten Heimat hatte der Argentinier vereinzelt an Filmen mitgewirkt. Sein erstes Hollywood-Engagement wurde der Abenteuerfilm „Rhino!“, der in Deutschland den reißerischen Titel „Safari zur Hölle“ trug und 1964 in die Kinos kam. Noch im selben Jahr komponierte er die Musik für drei weitere Filme, darunter der US-TV-Film „See How They Run“ mit Senta Berger und das französische Drama „Wie Raubkatzen“ mit Alain Delon, und Folgen von TV-Serien. Von New York zog er in die Film-Metropole Los Angeles.
Lässiger Soundtrack für Steve McQueen
Die Online-Film-Datenbank IMDb listet heute über 200 Soundtracks aus der Feder von Lalo Schifrin. Besonders berühmt sind seine lässige, jazzige Musik für den Steve-McQueen-Klassiker „Bullitt“ (1968), die fast beklemmende Begleitung für Clint Eastwoods Thriller „Dirty Harry“ (1971) samt einiger Fortsetzungen und der atmosphärische Soundtrack für „Der Mann mit der Todeskralle (1973)“. Für den Kultfilm mit Bruce Lee wagte sich Schifrin auf neues Terrain und kombinierte Elemente von Funk mit asiatischen Klängen und Samples.
In späteren Jahren zeichnete der Komponist unter anderem für die Soundtracks zur „Rush Hour“-Reihe mit Jackie Chan und Chris Tucker verantwortlich und produzierte die Musik für einige kleinere oder unabhängige Produktionen. Seine ikonische Melodie für „Mission: Impossible“ blieb immer präsent, zumal sie dank der Hollywood-Blockbuster mit Tom Cruise seit 1996 auch im Kino regelmäßig erklang, arrangiert von modernen Filmkomponisten wie Danny Elfman oder Hans Zimmer.
Insgesamt fünf Grammys, darunter einen Latin Grammy, erhielt Lalo Schifrin. Viermal war er für einen Emmy, sechsmal für einen Oscar nominiert. Im Herbst 2018 erhielt er den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. Im Interview der Television Academy, die jährlich die Emmys vergibt, wurde Schifrin gefragt, wofür er nach seinem Tod in Erinnerung bleiben möchte. „Das ist nicht mein Problem“, antwortete der Musiker. „Das müssen die nachfolgenden Generationen beurteilen.“ Nun ist Lalo Schiffrin im Alter von 93 Jahren gestorben.
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