Kommunikative Hürden: Nein sagen leicht gemacht
Oft fällt es schwer, Verabredungen abzusagen, selbst wenn sie im vollen Alltag zu viel wären. Eine neue Studie zeigt, was helfen kann.
Ein Riesenprojekt, eine Einladung zu einem Festival und dann sagt noch ein Freund, dass er beim Umzug Hilfe braucht. Eigentlich ist alles sowieso schon viel zu viel, doch nein zu sagen fällt unglaublich schwer, besonders den Harmoniesüchtigen unter uns. Denn da ist immer die Angst, wie das Gegenüber wohl auf ein Nein reagieren wird. Wütend? Enttäuscht? Unglücklich? Ein amerikanisches Forscherinnenteam stellte sich die Frage, wie es Menschen leichter fallen könnte, nein zu sagen.
Die Forscherinnen wollten wissen, unter welchen Umständen Menschen so antworten, wie sie sich fühlen und nicht etwa unter Druck erst zusagen, um später wieder abzusagen. Die Idee der Forscherinnen: Menschen fiele das Neinsagen leichter, wenn sie direkt gesagt bekommen, wie sie das Nein am besten formulieren können. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt in der Zeitschrift Nature.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Für die Untersuchung luden die Forscherinnen der Cornell University mehr als 500 Studierende ein. Zu Beginn baten sie die Studierenden, ihr Smartphone zu entsichern. Dann wurden sie gefragt, ob sie es an die Forscherinnen übergeben wollen, ohne dass sie weitere Informationen erhielten, was damit passiert und ob ihre Daten geschützt seien. Der ersten Hälfte der Studierenden sagten die Forscherinnen, dass sie zu der Bitte auch nein sagen dürfen. Die andere Hälfte bekam zusätzlich die Information, dass sie für ihr Nein die Worte „Lieber nicht“ oder „Nein, danke“ verwenden können. Dann sollten die Studierenden entscheiden, ob sie ihr Smartphone abgeben – oder nicht. Im Anschluss an das Experiment füllten die Studierenden einen Fragebogen aus und sollten auf einer Skala von 1 bis 7 einschätzen, wie frei sie sich bei ihrer Wahl fühlten.
Das Ergebnis: Die Studierenden, die eine genaue Formulierung angeboten bekamen, empfanden ihre Entscheidung als verhältnismäßig frei. Die Studierenden der ersten Gruppe hingegen fühlten sich durch die Art der Frage bedrängt und beurteilten ihre Entscheidung als weniger frei. Interessant: Die Studierenden beider Gruppen waren zum Großteil bereit, ihr Smartphone zu entsichern und abzugeben. Wie die Frage gestellt wurde, beeinflusste ihre Entscheidung also kaum. Es hatte aber einen Effekt darauf, wie die Studierenden ihre Entscheidung wahrnahmen.
Es sind nur zwei, drei Wörter mehr, doch laut den Forscherinnen haben sie eine große Wirkung. Bei einer Bitte zu ergänzen, in welchen Worten eine Person absagen könnte, verbessere die Kommunikation erheblich. Das ist zentral, für das Arbeitsklima in Unternehmen, in Partnerschaften, Freundschaften, Familien, überall, wo sich Menschen begegnen. Nein zu sagen, wird weiterhin eine Herausforderung bleiben, doch mit der Anregung der Forscherinnen könnte es für Harmoniesüchtige und alle anderen ein wenig angenehmer werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour