piwik no script img

Kommunalwahl in der UkraineKlitschko bleibt Kiews Bürgermeister

Erst in der Stichwahl konnte Ex-Box-Weltmeister Vitali Klitschko sich gegen seine Konkurrenz durchsetzen. In anderen Städten gewannen prorussische Kräfte.

Vitali Klitschko vor den Mikros der Medien, nachdem er seine Stimme in einem Kiewer Wahllokal abgegeben hatte. Foto: ap

Kiew afp/dpa | Bei der zweiten Runde der Kommunalwahlen in der Ukraine ist der einstige Box-Weltmeister Vitali Klitschko offenbar als Bürgermeister der Hauptstadt Kiew wiedergewählt worden. Der 44-jährige Klitschko kam laut Nachwahlbefragungen bei der Stichwahl am Sonntag auf 65 bis 71,8 Prozent der Stimmen. Sein Rivale Borislaw Beresa, der früher beim rechtsextremen Prawy Sektor war, lag demnach bei rund 30 Prozent.

Klitschko gehörte zu den Anführern der proeuropäischen Massenproteste, die im Februar 2014 zum Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch führten. Der frühere Profiboxer hatte zunächst für das Präsidentenamt kandidiert, sich dann aber hinter den Milliardär Petro Poroschenko gestellt. Im Mai 2014 wurde er zum Bürgermeister von Kiew gewählt. Angesichts einer Bilanz, die bislang nicht viele Einwohner der Drei-Millionen-Einwohner-Stadt beeindruckte, gelang ihm die Wiederwahl nicht gleich im ersten Durchgang.

Die ukrainische Tageszeitung Westi schrieb am Montag: „Vitali Klitschko wurde (in der ukrainischen Hauptstadt Kiew) bei einer rekordhaft niedrigen Wahlbeteiligung zum zweiten Mal Bürgermeister. Mit seinem vorhersehbaren Sieg hat er aber nicht so sehr seine eigene Position, sondern eher die Position von Präsident Petro Poroschenko und der Partei Solidarnist (Solidarität) gefestigt.

Denn wenn man berücksichtigt, dass von 52 Abgeordneten der vereinten politischen Kräfte nur 12 Klitschkos Partei Udar angehören – und man den Vorsitz im Stadtrat Wladimir Prokopiw von Solidarnist vorhersagt –, wird die Macht in der Metropole in Wirklichkeit von Kräften des Präsidenten ausgeübt.“

Kolomoiski-Vertrauter siegt in Dnipropetrowsk

In Dnipropetrowsk an der Grenze zum Separatisten-Gebiet in der Ostukraine wurde ein Vertrauter des umstrittenen Oligarchen Igor Kolomoiski ins Rathaus gewählt. Boris Filatow kam in der Industriestadt auf 62 Prozent der Stimmen. Er setzte sich damit gegen Olexander Wilkul durch, der bis zum Sturz Janukowitschs drei Monate stellvertretender Ministerpräsident der Ukraine gewesen war.

In der Industriestadt Pawlograd, die ebenfalls in der Region Dnipropetrowsk liegt, setzte sich ein Kandidat der prorussischen Opposition gegen den Kandidaten von Kolomoiskis Partei Ukrop durch.

Im westukrainischen Lemberg (Lwiw) wurde Amtsinhaber Andrej Sadowji mit mehr als 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Sadowji ist Parteichef der proeuropäischen Bewegung Samopomitsch (Selbsthilfe), die in Kiew an der Regierungskoalition beteiligt ist.

Die erste Runde der Kommunalwahl vor drei Wochen war von dem Konflikt zwischen Kiew und den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine überschattet worden. In der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol, der letzten größeren Stadt in der Konfliktregion unter Kontrolle der Zentralregierung, wurde die Abstimmung kurzfristig abgesagt. In den Rebellengebieten wollen die Separatisten im kommenden Jahr eigene Wahlen abhalten.

Die Kommunalwahl galt als wichtiger Test für Poroschenko, der durch ein Erstarken der prorussischen Opposition in den Kommunen und Regionen geschwächt werden könnte. Bereits im ersten Durchgang war der prorussische Bürgermeister der Hafenstadt Odessa, Gennadi Truchanow, im Amt bestätigt worden. Der von Poroschenko unterstützte Deutsch-Ukrainer Sascha Borowik landete auf dem zweiten Platz. Der proeuropäische Gouverneur der Region Odessa, Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili, erkannte das Ergebnis nicht an und warf den örtlichen Behörden Wahlfälschung vor.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Saakaschwili wird selbst per Haftbefehl gesucht und ist zudem Partei. Seine Aussage dürfte daher kaum glaubwürdig sein. Gab es keine unabhängigen Wahlbeobachter_innen bei diesen Wahlen - haben diese Unregelmässigkeiten festgestellt?

    Die Wahlen wurden übrigens ebenfalls mit durchsichtigen Wahlurnen durchgeführt. Diese Wahlurnen waren bei der Krimabstimmung von der westlichen Propaganda massiv kritisiert worden...

  • In Odessa wird Wahlfälschung behauptet, in Mariupol gleich gar nicht gewählt und damit klar wird, auf welcher Seite die Taz steht, wird die miese Wahlbeteiligung nur angedeutet und nicht mit Zahlen verdeutlicht. Bei den letzten Kommunalwahlen vor ein paar Wochen war die Wahlbeteiligung häufig um die 36 Prozent. Die politischen Tendenzen in der Ukraine sind ein Witz und unsere Medien stehen daneben und helfen mit. Nicht beim Witz-Erzählen sondern bei dem Witz.