Kommunalwahl in Niederösterreich: ÖVP kommt zunehmend in Bedrängnis
Im tiefschwarzen Niederösterreich verliert die konservative Volkspartei fast sechs Prozentpunkte. Die rechtsradikale FPÖ verdoppelt sich.
Das Ergebnis ist bemerkenswert, weil die ÖVP das Bundesland seit Jahrzehnten politisch dominiert wie kein anderes. Und weil die Wähler:innen auf Gemeindeebene meist weniger wechselfreudig sind als etwa im Bund. Auch wenn es schlimmer hätte kommen können, ist der Verlust für die traditionelle „Bürgermeisterpartei“ ÖVP schmerzhaft. Die FPÖ wird nun in zahlreiche Gemeinderäte einziehen und ihre Strukturen langfristig stärken. Ein weiterer Erfolg für die Rechtsaußen-Partei, die zudem mittlerweile in fünf von neun Landesregierungen sitzt.
Nachdem sich Konservative, Sozialdemokraten und Liberale nicht einig wurden, verhandeln derzeit FPÖ und ÖVP eine neue Bundesregierung. Die Volkspartei ist nach dem Abgang von Sebastian Kurz und mehreren Korruptionsskandalen in ihrer tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Auch fehlt es ihr, nicht erst seit dem Abgang Karl Nehammers, an zugkräftigem Spitzenpersonal. Schwerer noch wiegt der Verlust jeder Glaubwürdigkeit: Monatelang hatte die ÖVP betont, keinesfalls mit FPÖ-Chef Kickl eine Koalition zu verhandeln. Genau das tut sie jetzt aber.
ÖVP nähert sich FPÖ auf Bundesebene an
Mittlerweile ist die Volkspartei sogar bereit, frühere Kernpositionen aufzugeben, etwa ihre Forderung nach einer Teilnahme am europäischen Luftabwehrschirm Sky Shield. Diese sei keine Koalitionsbedingung mehr für sie, sagte nun die scheidende ÖVP-Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Eine gute Nachricht für die russlandfreundliche FPÖ, die sich vehement dagegen stellt.
Auch beim Thema Bankenabgabe, die die FPÖ nun überraschend fordert, wird die wirtschaftsnahe ÖVP wohl Zugeständnisse machen müssen. Für die ÖVP war eine solche Steuer ein absolutes No-Go. Auch deshalb ließ sie die Verhandlungen mit der SPÖ platzen.
Inhaltlich ist darüber hinaus wenig bekannt, zuletzt gab es aber Verstimmungen. ÖVP-Chef Christian Stocker ließ der FPÖ über Journalisten ausrichten, dass sie sich stärker bewegen müsse. Die FPÖ fuhr daraufhin gleich drei Landesparteichefs auf. „Stocker gefährdet die Gesprächsbasis für konstruktive Koalitionsverhandlungen“, hieß es etwa vom steirischen FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek.
Einer Einigung dürfte dennoch wenig im Wege stehen. Die ÖVP landete bei der Nationalratswahl mit 26,3 Prozent zwar nicht allzu weit hinter der siegreichen FPÖ (28,9 Prozent). Sie wird aber, auch hinsichtlich ihrer Wunsch-Ministerien, mehr Federn lassen, als ihr lieb ist. Die neue Regierung soll bis Mitte Februar stehen – wenn es nach der FPÖ geht, sogar früher.
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