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KommentarEnde eines Tabus

■ Geschichtspolitik: Der Streit Bubis/Walser markiert einen Wendepunkt

„Wenn ein Jude Auschwitz sagt, dann ist die Diskussion zu Ende.“ Diese zutreffende Bemerkung über das komplizierte Verhältnis von Deutschen und Juden machte ein israelischer Schriftsteller in den späten 80ern. Übersetzt bedeutet sie: Es gibt eine Grenze für deutsche Kritik an Juden – und diese Grenze ist durch die Geschichte definiert. Dieses Tabu war eine zwiespältige Sache: Es existierte aus offenkundigen, legitimen historischen Gründen. Andererseits mag dieses Tabu auch jenen deutschen Philosemitismus aus Bequemlichkeit befördert haben, dem andächtiges Schweigen lieber war, als einen Zwist zu wagen. Denn riskant war es: Bei einem falschen Ton stand ja stets das deutsche Bild in aller Welt auf dem Spiel.

Das FAZ-Gespräch zwischen Martin Walser und Ignatz Bubis zeigt, daß dieses Tabu nicht mehr gilt. Daß Deutsche, zumal im Dialog mit Juden, Auschwitz nie als Argument für sich einsetzen können, gehört offenbar der Vergangenheit an. Wie sonst soll man Walsers bemerkenswertes Selbstlob verstehen, daß er sich schon viel früher mit Auschwitz beschäftigt habe als der Holocaust-Überlebende Bubis. Denn: „Ich mußte, um weiterleben zu können, mich damit beschäftigen.“ Ein Trauma bearbeiten, um weiterleben zu können: Ist es Zufall, daß Walser das Vokabular von Opfern benutzt, die Furchtbares erlebt haben? Zudem hat Walser bekundet, daß er sich von Bubis seinen qualvoll errungenen „Seelenfrieden“ nicht streitig machen lasse. Und auch den Gebrauch des Wortes „Schande“ statt Verbrechen lasse er sich von Bubis nicht „vorschreiben“. Walser redet mit der fahrigen Atemlosigkeit desjenigen, der endlich alles ausspricht, was so lange tabuisiert war.

Klingt so das neue Deutschland? Träumt es sich in die Rolle eines Opfers, um so die Zuständigkeit der Juden für das deutsche Selbstbild für beendet zu erklären? Ja, so klingt es. Das Gemälde komplettiert das Bild übermächtiger Medien, in denen eine antifaschistische Gedankenpolizei herrscht (Wer? Guido Knopp?).

Walsers Reden ist unpräzise, andeutungshaft. Deshalb ist auch der intellektuelle Gehalt der Debatte schwierig zu fixieren. Wir, fleißige deutsche Gewissensarbeiter, lassen uns Auschwitz nicht von den Juden wegnehmen – so lautet ein Subtext. Gerade dieses Ungefähre ermöglicht es, mit dem Tabu zu brechen, daß Juden in Sachen Auschwitz das letzte Wort haben. Stefan Reinecke

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