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KommentarKahlschlag im "Wald der Mahnmale"

■ Neue Diskussion um Gedenkpolitik

Ein Mahnmal für die Opfer der Euthanasie-Verbrechen ist überfällig. 200.000 Menschen, vom fünfjährigen Mädchen bis zum Greis, haben die Nationalsozialisten umgebracht. Abgetan als „lebensunwertes Leben“, wurden sie in Gaskammern vernichtet, von Exekutionskommandos hingerichtet, von Ärzten vergiftet. Mit einer Bronzetafel können diese Taten nicht länger abgetan werden.

Genau das aber steht zu befürchten. Die CDU warnt vor einer „Inflation der Mahnmale“, und Diepgen hat bereits mit seiner Fundamentalopposition gegen das Holocaust-Mahnmal seine Bereitschaft bewiesen, die Mitte der neuen Hauptstadt vom lästigen Schatten der deutschen Vergangenheit freizukämpfen.

Mit ihrer Blockadehaltung hat die CDU in den vergangenen Jahren die Entwicklung eines tragfähigen Gesamtkonzeptes für das Gedenken der verschiedenen Opfer der Nazis verhindert. Jetzt, da sich die betroffenen Gruppen selbst zu Wort melden, sind die Christdemokraten die Letzten, die sich über Vorschläge echauffieren dürfen, mit denen ein tragfähiger Umgang mit der Vergangenheit in Berlin entwickelt werden soll.

Zudem ist die Argumentation der CDU dürftig: Es existieren klar definierte Gruppen von Opfern, denen eine gebührendes Erinnerung bis heute verweigert wird. Von einem „Wald der Mahnmale“ zu sprechen, wie es der kulturpolitische Sprecher Uwe Lehmann-Brauns getan hat, zeugt im besten Fall von Zynismus, hat aber mit der Sache selbst wenig zu tun. Auch die von der CDU eingeforderte „Konzentration auf authentische Orte“ scheint ein wenig durchdachter Einwand zu sein: Welcher Ort wäre authentischer als die Tiergartenstraße, ehemaliger Standort jener Zentrale der Unmenschlichkeit, deren Namen die Mordprogramme der Nazis schließlich getragen haben?

Wald der Mahnmale? Wenn es um Geschichtspolitik geht, dann schwingt die CDU einmal mehr die Axt gegen herbeiphantasierte Baumstämme wie Cervantes' Don Quichote die Lanze gegen die Windmühlen. Aus dem Holz, so möchte man vorschlagen, könnte man Bretter herstellen – die sich der eine oder andere dann vor dem Kopf anbringen könnte. Andreas Spannbauer

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