Kommentar zur Abschiebung von Sami A.: Den Rechtsstaat aushalten
Ein Islamist wurde trotz Gerichtsverbot abgeschoben und soll nun auf Staatskosten zurück dürfen. Das ist kein Irrsinn, sondern Rechtsstaatlichkeit.
D er als Gefährder eingestufte Islamist Sami A. wurde am Freitag abgeschoben, obwohl ein Gericht am Donnerstag genau das verboten hatte. Jetzt fordern die Richter, dass der Mann auf Staatskosten zurückgeholt wird. Ja, dieser Fall wirft Fragen auf. Eine davon lautet: Ist das nicht totaler Irrsinn, der den Rechtspopulisten in die Hände spielt?
Irrsinnig ist zunächst, dass die Fakten seit einem Bericht der WAZ im Jahr 2012 bekannt sind: Sami A. war um die Jahrtausendwende sieben Monate in Pakistan, er soll dort „ein Leibwächter“ des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden gewesen sein. Er stand im Verdacht, zwei junge Muslime radikalisiert zu haben, die später als Teil der Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle verurteilt wurden.
Ermittlungen gegen ihn waren aber eingestellt worden. Und eine Abschiebung in sein Heimatland Tunesien war von Gerichten untersagt worden, weil ihm dort Folter drohe. Daran hatte sich bis Freitag wenig verändert. Außer dass der Mann nicht mehr als „ein Leibwächter bin Ladens“ beschrieben wird, sondern mittlerweile in fast allen deutschen Medien als „der Leibwächter“.
Eine Petitesse? Nein, sondern die Folge einer monatelangen Kampagne der Bild, die den Fall zum Exempel für eine fehlgeleitete Asylpolitik stilisiert. Immer nach dem Motto: Wenn man den schon nicht abschieben kann, wen dann? Ein gefundenes Fressen für die Extremvereinfacher der AfD und für Innenminister Horst Seehofer, der die Abschiebung des Mannes seit Monaten öffentlich vorantreibt.
Die normale Komplexität des Rechtsstaates
Ohne Zweifel: Sami A. ist kein Unschuldslamm. Man kann gut nachvollziehen, warum die Sicherheitsbehörden zu dem Schluss kommen, es wäre besser, wenn er nicht in Deutschland leben würde. Aber dieses Land zeichnet sich eben auch dadurch aus, dass das Bedürfnis, einen potenziellen Gefährder loszuwerden, nicht allein ausschlaggebend ist. Schon gar nicht, wenn ihm nach einer Abschiebung Folter droht. Und dass über die Einhaltung dieser Maßstäbe Gerichte wachen.
Es ist also kein Irrsinn, sondern die ganz normale Komplexität eines Rechtsstaates, die man aushalten muss. Auch wenn dessen Urteil im Einzelfall unbefriedigend erscheinen mag.
Zum Glück stellte Justizministerin Katarina Barley (SPD) am Sonntag auf Twitter klar: „Es muss gelten, was Gerichte entscheiden. Das ist Grundlage jedes #Rechtsstaats. Wer daran zweifelt, stellt die Verfasstheit unseres Staates infrage.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass so ein klares Statement eigentlich als Erstes von dem hätte kommen müssen, der in den Fall involviert ist: Horst Seehofer. Der aber schweigt.
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