piwik no script img

Kommentar zum VW-SkandalDreister Konzern, naive Politik

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Jahrelang hat VW die Behörden belogen. Während die USA entschlossen vorgehen, reagiert die Bundesregierung mit Klientelpolitik.

Mit der Manipulation von Abgaswerten hat VW die Gesundheit der Menschen gefährdet. Foto: dpa

S o viel Dreistigkeit ist schwer zu glauben: Jahrelang hat Volkswagen mit eindeutig illegalen Mitteln die Abgaswerte seiner Autos manipuliert und die Behörden belogen. Das ist nicht nur kriminell, sondern auch unglaublich dumm. Hat in diesem Weltkonzern wirklich niemand geahnt, wie groß der Schaden ist, wenn der Betrug auffliegt? Denn neben den Straf- und Schadenersatzklagen steht VW vor einem Imageschaden, von dem sich das vermeintliche deutsche Vorzeigeunternehmen über viele Jahre nicht erholen dürfte.

Doch genauso erschreckend wie die Dreistigkeit von Volkswagen ist die Reaktion der deutschen Politik auf den Skandal: Um zu klären, ob die illegalen Manipulationen auch in Europa eingesetzt wurden, plant das zuständige Verkehrsministerium nicht etwa schnelle eigene Untersuchungen, durch die der Skandal in den USA aufgedeckt wurde. Stattdessen fordert die Regierung allen Ernstes vom Konzern selbst Informationen darüber ein, ob er auch in Deutschland betrogen hat. Und das ist erst mal alles.

Diese Naivität und Hilflosigkeit ist schockierend. Aber sie ist leider symptomatisch für den Umgang der deutschen Politik mit den Autokonzernen: Statt diese zu kontrollieren und zu reglementieren, präsentiert sich die Bundesregierung regelmäßig als deren oberste Interessenvertretung. Wann immer in der EU über schärfere Abgasnormen diskutiert wurde, setzt Deutschland sein ganzes Gewicht ein, um diese zu verzögern und aufzuweichen. Alle Hinweise auf falsche Messwerte, die es in der Vergangenheit gab, hat die Regierung ignoriert.

Die Umsetzung von EU-Vorgaben zur Luftbelastung ist in Deutschland so halbherzig, dass Brüssel jetzt ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Mit dieser Klientelpolitik setzt die Bundesregierung nicht nur die Gesundheit der Menschen aufs Spiel, die unter Stickoxiden und Feinstaub leiden. Wie sich jetzt zeigt, tut sie auch den deutschen Autokonzernen keinen Gefallen, wenn sie sie in der falschen Sicherheit wiegt, dass ihnen am Ende schon kein Ungemach droht.

Anderswo, das zeigt jetzt das entschlossene Vorgehen der USA, entlässt die Politik die Hersteller nicht so einfach aus der Verantwortung. Ein Zwang zu sauberer Technik ohne schmutzige Tricks wäre darum auch im Sinne der deutschen Automobilbauer gewesen.

Anmerkung der Redaktion: Der Kommentar beruht auf der Nachrichtenlage von Montag, 17 Uhr. Am Abend hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt in einem BILD-Interview angekündigt, dass es nun doch bei allen Volkswagen-Diesel-Modellen „strenge, spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter“ geben solle. Die Details sind noch offen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Was ich mch hier frage: Wieso hat eben die Spionage der NSA das nicht aufgedeckt, spricht das für das Sicherheitssystem von VW? Dann, wie ist das eigentlich entdeckt worden? Und vom wem? Und wer hat das genau passend zu den Publiumstagen der IAA an die Öffentlichkeit gebracht? Und wie hängt das mit dem Gerangel im Vorstand des Aufsichtsrats zusammen? Ganz nette Fragen...mal so gestellt. Und was der Autor schreibt bzgl. der Stellungnahme der Politik...ähnlich dem, was Herr Gabriel heute Abend diesbzgl. von sich gab... Na denn...Gute Nacht.

  • Kommt davon wenn nichts gegen Wirtschaftsspionage unternommen wird, solange sie nur von den USA ausgeht. Und auch dieses Unternehmen setzt im gesamten Verwaltungsapparat auf Microsoft. Keine Gnade mit den Trotteln! Aber es wird eh nur die immer gleichen treffen.

  • Dass Thema plötzlich so hoch kocht überrascht mich wirklich. Das Steuergeräte Prüfzyklen erkennen und in einen anderen Modus schalten ist wirklich nicht neu. So weit ich mich erinnere war BMW vor 15 Jahren Vorreiter in dieser Disziplin und hatte noch nicht mal einen Hehl daraus gemacht. http://www.motorradonline.de/motorraeder/technik-abgasreinigung/105838

  • Die Fassungslosigkeit von Herrn Kreutzfeldt angesicht dieser Manilpulationen kann ich nur teilen.

    Denkbar ist aber auch, dass solche faulen Tricks über Jahre hinweg von den zuständigen Kontrollinstanzen ganz bewusst "übersehen" wurden.

     

    Interessant wäre vielleicht die Fragestellung inwieweit ein privater Autokäufer, auch hier in Deutschland, gerichtlich gegen solche Praktiken der Autoindustrie vorgehen kann.