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Kommentar zum Sinkflug von Renate KünastDie zwei Fehler der Grünen

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Zwei Wochen vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus liegen die Grünen hinter der CDU nur noch auf Platz drei.

M ittlerweile kann einem Renate Künast fast leid tun. Je mehr sie rackert und ackert und kämpft, desto weniger kommt sie an bei den Wählern. Laut Umfragen hat sie zwei Wochen vor der Wahl nicht den Hauch einer Chance, Regierende Bürgermeisterin von Berlin zu werden. Und selbst das zweite Ziel - die Stärkung ihrer Position im parteiinternen Machtkampf mit Jürgen Trittin, ihrem Kovorsitzenden in der Bundestagsfraktion - wird sie kaum noch erreichen.

Dabei hatten die Grünen anfangs durchaus Chancen. Sie hatten ihre wohl prominenteste Kandidatin ins Rennen geschickt, der - und das war das Wichtigste - die Berliner tatsächlich zutrauten, den Amtsinhaber Klaus Wowereit schlagen zu können. Diese Attraktion, diese Aussicht auf den Sieg einte Parteibasis und Wählerschaft.

Die klaren Positionen

Dann aber unterliefen den Grünen zwei entscheidende Fehler. Zum einen ist bis heute keinerlei Strategie für den erwartbaren Fall erkennbar, dass der Kandidatin die Strahlkraft verloren geht - und damit ihr Potenzial, die gesamte Partei und die Wählerschaft hinter sich zu scharen. Schlimmer aber noch: Ausgerechnet die Grünen haben vergessen, ihre Mission "Grün regiertes Rotes Rathaus" an Inhalte zu knüpfen. An unverrückbare Positionen, die der Wähler mit einer grünen Bürgermeisterin verwirklicht sehen darf, ganz egal ob in einer Koalition mit der SPD oder in einer mit der CDU. Dabei war unübersehbar, dass Letzteres dem linken Parteiflügel hätte schmackhaft gemacht werden müssen. Die Grünen haben ihre große Chance verspielt.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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10 Kommentare

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  • D
    DRMOTTE

    Am Beispiel des Umgangs der Grünen mit Kastanienallee 21 im Prenzlauer Berg kann man sehen, was Die Grünen von Mitbestimmung halten. Könnte es sein das sich der Baukonzern indem Bezirk eingekauft hat? Könnte es sein das es geheime Absprachen mit dem Stadtrat Kirchner (Bü90/Die Grünen) gibt. Trotz ausstehendem Volkentscheid wird dort gebaut. Danke. Wir haben verstanden. Grüne unzählbar! Mindestens seit der Einführung von Hartz4 und dem Kosovo Einsatz sowieso... selbst ehem Steinewerfer arbeiten jetzt für RWE und die Bauen Atomkraftwerke!

  • P
    Philipp

    Nirgends wird man eine Aussage von Künast finden, in der sie eine Koalition mit der CDU als ihren Wunsch bezeichnet. Dass sie nicht ausgeschlossen wird, halte ich zum einen für Taktik. In möglichen Koalitionsverhandlungen mit der SPD möchte man eben eine stärkere Position haben und die hat man, wenn man sich die Möglichkeit einer Koalition mit der CDU offen hält. Nur so können die Grünen eine starke Position auch gegenüber der SPD einnehmen und ihre Inhalte besser durchsetzen. Zum anderen halte ich voreilige Ausschlüsse von Koalitionen mit demokratischen Parteien für unangebracht. Spätestens seit dem Fall Ypsilanti sollte doch klar sein in welch schwierige Situation solche Festlegungen führen können. Entscheidend sind die Koalitionsverhandlungen. Wenn die Grünen in Verhandlungen mit der CDU keine grüne Politik durchsetzen können, werden sie keine Koalition mit ihnen eingehen. Schließlich entscheidet nicht Künast über Koalitionen sondern die Grüne Basis auf einem Landesparteitag. Wie demütigend wäre es für sie, wenn sie aus Machtkalkül alles für eine grün-schwarze Koalition opfert und dann am Votum der Basis scheitert? Das riskiert sie niemals.

     

    Ich denke schon, dass die PIRATEN im Abgeordnetenhaus wichtige Impulse setzen könnten. Aber jede Stimme für die PIRATEN ist im Moment eben auch eine für Wowereit bzw. die SPD. Sie dürften nach der Wahl in der komfortablen Lage sein mit allen Parteien außer den PIRATEN koalieren zu können. Bei der letzten Wahl hätte es auch schon für rot-grün gereicht und trotzdem hat sich die SPD gegen diese Möglichkeit entschieden. Am Ende steht zu befürchten, dass Berlin wieder eine rot-rote Regierung bekommt, mit den selben Gesichtern.

    Schneiden die Grünen bei der Wahl stark ab, kommt die SPD gar nicht um sie herum und dann besteht auch die Möglichkeit, dass sich etwas ändert.

     

    Wenn jemand mit dem inhaltlichen Programm der Grünen nichts anfangen kann, ist das eine andere Sache. Aber diese Hysterie bezüglich einer schon fast garantierten Koalition schwarz-grün ist meiner Meinung nach irrational.

  • R
    rheinelbe

    Welche "Strahlkraft" von Künast denn? Wo soll die sein?

     

    Künast ist ein Apparatschick - weiter nichts.

    Und das kommt nicht an.

     

    Gut so!

    ...

  • G
    Grünspecht

    Die "schwarzen" Grünen kommen vielleicht in Baden-Württemberg an, aber nicht im Land Berlin!

     

    Die WählerInnen, die eine soziale und ökologische Politik wollen - und das sind nach meinem Eindruck eigentlich sehr viele - wollen nicht lediglich dieselbe Art von Charaktermasken "in grün" an der Berliner Landesregierung sehen. Sie wollen überzeugende Inhalte und glaubwürdige Personen - und das bieten die Grünen höchstens sehr vereinzelt.

     

    Bei Spitzenkandidatin Frau Künast ist auch im Wahlkampf deutlich zu merken, dass sie sich nicht wirklich für eine echte BürgerInnenbeteiligung interessiert - und für die Forderungen der kleinen Leute "von unten" schon gar nicht. Sie kann sich einfach nicht mehr überzeugend verstellen. Und das ist gut so. Sie ist nun mal längst Teil einer grünen FDP, die mit der CDU koalieren will.

     

    Frau Künast gibt keine Antwort auf die Kritik der Mietenstopp-DemonstrantInnen darauf, dass die Grünen die Armen faktisch ökologisch korrekt verdrängen würden durch die energetische Sanierung von Wohnungen, die mit steigenden Mieten einher gehen. Warum nicht?

     

    Frau Künast sagt auch nichts zur steigenden Armut in Berlin, außer der Banalität, dass sie für mehr Bildung ist. Aber auch Habilitierte und Promovierte, also Menschen mit den höchsten Bildungsabschlüsse,n werden an Berliner Unis z.T. mit winzigen Honoraren abgespeist und ausgebeutet.

     

    Viele ehemlige Grünen-AnhängerInnen haben inzwischen gemerkt, dass inhaltlich bei den Grünen leider fast nur noch Greenwashing regiert. Eine ökologische Stadtentwicklungspolitik gibt es z.B. in Friedrichshain-Kreuzberg nicht, obwohl die Grünen hier fast durchgängig seit 1996 regieren. Stadtnatur wird regelmäßig für Bau(förder)projekte geopfert. Und die BürgerInnen werden meist gar nicht erst über Stadtplanungsmaßnahmen informiert. So können sie sich auch nicht an Planungsprozessen beteiligen. Die "Mitsprachestadt", diese Online-Wahlkampfinszenierung der Grünen, wirkt da wie Hohn auf erfahrene BürgerInnen.

     

    Fazit. Der Graben zwischen Propaganda und Wirklichkeit ist zu groß geworden. Die Grünen sind deshalb nicht mehr glaubwürdig.

  • S
    StefanMarc40

    Während die Grünen in der Umwelt- und Energiepolitik sehr gut aufgestellt sind und hier in der Bevölkerung punkten können, sobald sich das Auge auf diese Themen richtet, haben sie einen ganz grossen Fehler in der Vergangenheit gemacht, der Ihnen viel Kritik eingebracht hat und sicherlich auch gerade in der Hauptstadt Berlin Frau Künast schaden dürfte. Es ist das Thema "Krieg und Frieden".

     

    In den 1980er (Ostermärsche;NATO-Doppelbeschluss) und zu Zeiten der Irakriege wußte man noch halbwegs sicher, das auch für die GRÜNEN Kriege nur "ultima ratio" sind.

     

    Dann aber kam der sinnlose und Milliarden teure Afghanistankrieg und die Beteiligung der Grünen an diesem Krieg.

     

    Ich finde es schlimme, wie hier die Grünen zu einer militaristischen Partei mutiert sind, und ich bin froh, das die Linkspartei dagegen gestimmt hat. Auch bin ich froh, das wir am Krieg in Libyen nicht teilgenommen haben, den die Linkspartei wiederum abgelehnt hat und den diesmal auch die FDP um Westerwelle nicht mittragen wollte.

     

    Während die GRÜNEN mit Kriegsgeschrei auch in Libyen mitmischen wollten, stemmten sich Linkspartei und FDP dagegen und dafür ein Dankeschön an Linke und Liberale zugleich.

     

    Krieg ist ultima ratio, kostet Milliarden an deutschen Steuergeldern, nutzt nur der internationalen Rüstungswirtschaft und gerade wir Deutschen mit unserer historischen Verantwortung von zwei Weltkriegen haben nun wirklich militärisch NICHTS mitten in Asien oder in Afrika verloren. Ich finde es gut, wenn die Linkspartei den Afghanistaneinsatz verurteilt und auch Westerwelle/FDP aus diesem Einsatz raus wollen.

     

    UND ich finde es bestürzend, wie die Grünen diese Kriegseinsätze befürworten konnten. Schlimm auch wie die taz-Journalisten und andere Journalisten auf Welt-Online, FAZ, usw. im Zuge ihres Westerwelle Bashings mit HURRA-Geschrei in den Libyenkrieg hineinstürmen wollten.

     

    Dieses militaritische Verhalten dürfte den GRÜNEN im großstädtischen Berlin schaden. Hinzukommt das die GRÜNEN unter Künast mit der Henkel-CDU eine Koalition für möglich halten, das schadet den GRÜNEN noch mehr derzeit.

     

    Wie anfangs geschrieben in Umweltthemen gewinnen die GRÜNEN, aber sie haben mit Ihrem Kokettieren mit der Berliner-CDU und Ihrem Bekenntnis zu Afghanistankrieg und Libyeneinsatz viel an Sympathien wieder verspielt.

     

    Keine Kriegseinsätze deutscher Soldaten in Afrika oder in Asien, das will die deutsche Bevölkerung nicht !!!

  • I
    Immigrant

    Ich als Immigrant freue mich, dass die Grünen verlieren, so wird sie wenigstens wieder auf ihre Rolle als Zünglein an der Waage reduziert.

     

    Ich hoffe die Zeiten gehen vorbei, dass in Kreuzberg so stark Grün ewählt wird. Ich hoffe die Leute besinnen sich auf ihren natürlichen Anti-Imperialismus, das das Immigrant-sein mit sich bringt und kommen aus der Lethargie heraus.

  • M
    Margarete

    Erst heiratet sie mit der Bild (exklusive Berichterstattung)

    Dann heißt es "Künast gibt das Hanf nicht frei".

     

    Sympathien kann man damit bei der "Zielgruppe" nicht einsammeln!

     

    Dafür kommen die Piraten über 5 %, dass kann der "Demokratie" sicher nicht schaden.

  • Y
    yberg

    das ehrliche bekenntnis nach einer verlorenen bürgermeisterwahl wieder in die bundespolitik zurückzukehren hat auch künastfans enttäuscht und die wahlchancen nicht vergrößert.

     

    in wie weit künast,die taz ausgenommen,die is erst im zwooten akt eingestiegen,von unserer pluralistischen hauptstadtpresse auf fallhöhe mit unsanfter landung geschrieben wurde,kann der leser selbst beurteilen.

     

    in alten westberliner zeiten hat das spitzenpersonal im suff die schmier unbeschadet bedroht un nicht der wahlkampfleiter.In so weit könnte sich ja was dank der grünen in den letzten jahrzehnten gebessert haben.

     

    im übrigen is wowi wie wir alle miteinander, mittelbarer betrachter und aktivist der halben sachen.zuviel nähe schadet dem alltäglichen wohlbefinden und dem schönheitsschlaf.

  • P
    pautermann

    Wie wahr, gerade der letzten satz! auch und gerade als grüner muss man das wohl zu geben und bedauern.

    ohne linke, ökologische, freiheitliche grüne inhalte gewinnt man keine wahl!

  • C
    Christine

    Chance verpasst- gut kann ich nur sagen. Hier in Freiburg ist der grüne OB Salomon oft nicht von der CDU zu unterscheiden. Ganz im Gegenteil, manchmal sind mir die FDP und die CDU noch lieber, wie der grüne OB.