Kommentar zu rechter Demo in Berlin: Der Versuch des Verbots war richtig
Berlins Innensenator hat mit dem Verbot viel gewagt: Das war ein richtiges und wichtiges politisches Zeichen. Auch wenn die Demo am Ende doch stattfindet.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Entscheidung des Berliner Senats, eine für Freitagabend angekündigte rechtsextreme Demonstration zu untersagen, für rechtswidrig erklärt. Zwar steht die Entscheidung der nächsten Instanz noch aus. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese der Argumentation folgt. Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut; entsprechend hoch sind die Hürden, eine Demonstration zu verbieten.
Das ist auch gut so. Trotzdem war es richtig von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), das Verbot zu versuchen – und zwar als politisches Zeichen. Wenn Rechtsextreme ausgerechnet am 80. Jahrestag der Reichspogromnacht durch Berlin ziehen wollen, ist das eine ungeheure Provokation, auch wenn sie sich vorgeblich auf den 9. November 1989 beziehen.
Zurecht haben deswegen viele zivilgesellschaftliche und jüdische Organisationen in den letzten Tagen lautstark gegen diesen Aufmarsch protestiert. Mit dem Verbot und insbesondere mit der dazugehörigen bemerkenswert klaren politischen Stellungnahme hat Geisel gezeigt, dass er diesen Protest wahrnimmt und unterstützt. Das ist viel wert, gerade weil es – leider – nicht selbstverständlich ist.
Als Signal der Unterstützung an all diejenigen, die einen solchen Aufmarsch nicht hinnehmen wollen, ist das Verbot zu begrüßen. Und dieses Signal ist auch in Berlin bitter nötig: Denn ihre Ankündigung, antifaschistischen Gegenprotest in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen, hat die rot-rot-grüne Koalition bislang nicht umgesetzt. Viel zu häufig werden die Routen der Neonazis so weiträumig abgesperrt, dass ein wirksamer zivilgesellschaftlicher Protest kaum möglich ist. Zudem wird die Öffentlichkeit oft unzureichend informiert und Gegendemonstranten werden aufgrund von Lappalien mit Strafverfahren überzogen.
In Zeiten, in denen rechtsextreme Positionen immer weiter normalisiert werden, ist es bitter nötig, sich auch ganz konkret vor Ort gegen die menschenverachtende Ideologie der Neonazis zu stellen.
Aber auch wenn der Verbotsversuch ein richtiges Signal war: Es sind nicht die Versammlungsbehörden und Verwaltungsgerichte, die letztlich über diesen Kampf entscheiden werden, sondern die Demonstranten auf der Straße. Möchte der Berliner Senat sie unterstützen, dann muss er sich dafür gar nicht auf eine juristisch bisweilen wenig aussichtsreiche Auseinandersetzung einlassen, aus der er am Ende möglicherweise sogar beschädigt hervor geht. Er kann sich auch mit in die erste Reihe dieser Proteste stellen – und dort mit ähnlich klaren Worten auftreten, wie sie der Innensenator in dieser Woche gefunden hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt