Kommentar zu Wowereits Flugstunde: Das richtige Maß geht verloren
Amtsmissbrauch von Politikern zu sanktionieren obliegt nicht Volkes Stimme sondern unabhängige Richtern.
S elten musste man Klaus Wowereit so Recht geben wie in der aktuellen Debatte darüber, was Spitzenpolitiker dürfen und was nicht. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in ein Klima geraten, wo ganz normale gesellschaftliche Kontakte nicht mehr möglich sind“, hat der Regierende Bürgermeister am Dienstag gesagt. Leider scheinen wir auf dem besten Weg zu sein, selbst guten Freunden 150 Euro für eine Übernachtung zahlen zu müssen, wie es vor Monaten in einem Interview mit dem damaligen Bundespräsidenten eine ZDF-Journalistin nahelegte.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Amtsträger, die ihre Macht missbrauchen und Vorzüge gegen Vergünstigungen gewähren, gehören bestraft. Aber dafür ist in Deutschland immer noch eine unabhängige Richterschaft zuständig – und nicht Volkes Stimme, die im Zweifelsfall wenig neutral ist, weil sie „denen da oben“ die Party oder die Ferienwohnung missgönnt.
Privatleben muss sein
Jemand wie Wulff und aktuell Wowereit muss ein Privatleben haben und sich von Freunden einladen lassen dürfen – egal, ob die links oder rechts, arm oder reich sind. Oder Eventveranstalter. Wer mit wem feiert, fliegt oder trinkt, ist nachrangig, so lange dem Gesetz, dem Land und vor allem dem Landeshaushalt dadurch kein Schaden entsteht.
Ein schönes Gegenargument zur angeblichen Beeinflussung lieferte Wowereit auch: Ex-Bahnchef Dürr, dem er nach Logik der Kritiker für den Flug im Privatjet seine Seele verkaufte, habe auf ihn eingeredet, den Flughafen Tempelhof offen zu lassen. Am Columbiadamm sieht es nicht aus, als ob Dürr Erfolg hatte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit