Kommentar zu 1. Mai-Studie: Die Polizei wurde nicht gefragt
Es ist notwendig, auch die Sicht beteiligter Polizisten zu untersuchen
Ein "vielschichtiges Ereignis" sei der 1. Mai. So schreibt es Klaus Hoffmann-Holland, Leiter der Studie über Gewaltmotive am 1. Mai. Eine überraschende Erkenntnis ist das nicht.
Wer diesen Tag mehrere Jahre lang beobachtet, wird in der Studie nur das bestätigt bekommen, was er schon immer vermutet hat: Lust auf Erlebnis, eine Grundunzufriedenheit, zum Teil zu viel Alkohol und das Gefühl eines unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes schaukeln sich hoch, und später reden alle von Eskalation. Dass einzelne Beteiligte vor allem politische Botschaften vermitteln wollen und andere das Ganze als großes Abenteuer betrachten - wen überrascht das? "Die Studie soll Grundlage für präventive Ansätze sein", sagt Hoffmann-Holland. Leider liefert sie dafür zu wenig. Das ist nicht sein Fehler, sondern der des politischen Denkens dahinter.
Denn die Demonstranten, die Beobachter und die, die später Flaschen werfen, sind nur ein Teil. Ein weiterer steht uniformiert im und um das Geschehen herum und trägt ebenfalls zu Gewalttaten bei - wie die Studie selbst feststellt. Ganz deutlich wird das in den Interviews, in denen etwa ein Festgenommener berichtet, dass er während und nach der Festnahme misshandelt wird. Daher ist es notwendig, auch die Sicht beteiligter Polizisten zu untersuchen.
Grundsätzlich bleibt die Frage: Kann der 1. Mai allein mit auf diesen einen Tag bezogenen Maßnahmen gewaltfrei werden? Schließlich ist auch er nur ein Ausschnitt aus sehr vielschichtigen Konflikten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was