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Konsequenzen der MesserattackeWeder „Remigration“ noch Bleiberecht für alle

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Deutschland sollte einen Mittelweg zwischen „Remigration“ und „Bleiberecht für alle“ finden. Das hat zuletzt die Gewalttat in Aschaffenburg gezeigt.

Irgendwo muss doch der Mittelweg sein: Fahrzeug der Bundespolizei an der EU-Außengrenze Foto: Jochen Tack/imago

D ie politischen Reaktionen auf den tödlichen Messerangriff mutmaßlich eines offenbar psychisch kranken Afghanen auf eine Kindergartengruppe in Aschaffenburg waren erwartbar: Viele Rechte fordern pauschal „Abschieben!“ und „Remigration“, viele Linke de facto ein „Bleiberecht für alle“. Der Fall zeigt aber, dass ein Kompromiss nötig ist.

Denn wenn die Behörden geltendes Recht durchgesetzt hätten, könnten die Opfer von Aschaffenburg – ein zweijähriger Junge marokkanischer Herkunft und ein 41 Jahre alter Passant – wohl noch leben. Schließlich war der Tatverdächtige endgültig seit Mitte Dezember 2024 ausreisepflichtig. Seine Überstellung in das EU-Land Bulgarien, das für seinen Asylantrag zuständig war und dem auch zugestimmt hatte, war schon 2023 angeordnet worden. Er reiste aber nicht aus.

Am Ende vertrauten die Ämter auf seine Zusicherung, das Land selbständig zu verlassen. Das war bei der Geschichte des Mannes naiv. „Der Tatverdächtige ist in der Vergangenheit in insgesamt 10 Fällen als Beschuldigter in Erscheinung getreten, unter anderem wegen Beleidigung, Sachbeschädigung, Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung“, teilte das bayerische Innenministerium der taz mit. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung zulasten eines Mitbewohners seiner Asylunterkunft sei er zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Ausreisepflichtige, die so oft oder so schwerwiegend mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, sollten in Überstellungshaft genommen werden, weil die Fluchtgefahr zu groß ist. Die Ämter müssen sich auch besser untereinander vernetzen; im Fall des Aschaffenburger Tatverdächtigen haben sie unnötig Zeit verloren. Möglicherweise müssen solche Verfahren bei wenigen Behörden zentralisiert werden.

Politischer Profit für radikale Parteien

Natürlich muss es mehr psychiatrische Angebote für traumatisierte Geflüchtete geben. Aber das hat nicht nur finanzielle, sondern ebenso personelle Grenzen. Therapieplätze sind schon jetzt sehr knapp, und das lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Auch deshalb muss Deutschland nun die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, ausreisepflichtige Menschen abzuschieben – vor allem, wenn sie schon schwere Straftaten wie Körperverletzung begangen haben.

Wenn das nicht geschieht, steigt das Risiko weiterer Delikte in Deutschland. Das ist ein reales, kein von Extremisten ausgedachtes Problem. Auch Menschen mit Migrationsgeschichte sind Opfer solcher Taten. Wenn der Staat das Problem nicht löst, können Radikale es beliebig aufbauschen, gegen Geflüchtete allgemein wenden und damit bei immer mehr Menschen Anklang finden.

Dass dafür sehr viele Wähler anfällig sind, zeigt eine Umfrage von infratest dimap bei der Thüringer Landtagswahl im September: 58 Prozent der Befragten hießen es demnach gut, dass die AfD „den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen begrenzen will“. Sollten die Demokraten das Unbehagen, das sich in solchen Zahlen widerspiegelt, ignorieren, werden sie von den Autoritären verdrängt.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis, 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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2 Kommentare

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  • Unter Deutschlands Demokraten scheint Panikstimmung auszubrechen, wenn jetzt schon in der taz der "Mittelweg" angepriesen wird.

    Das Migranten deren Asylantrag abgelehnt wurde nach Ausschöpfung der Rechtsmittel das Land wieder verlassen müssen, versteht sich eigentlich, andernfalls bräuchte es kein Asylverfahren.

    Das wie im Falle von Aschaffenburg gleich in mehrfacher Hinsicht Behörden versagt haben ist zum Glück nicht die Norm.

    Hapern tut es doch in erster Linie daran, dass viele Nachbarländer sich nicht verpflichtet fühlen das Dublin Abkommen einzuhalten und Flüchtlinge nicht nur nicht zurücknehmen oder auf Zeit spielen bis die Frist zur Rücküberstellung abgelaufen ist, sondern auch noch durchwinken und nach Deutschland ziehen lassen.

    Eine Praxis, die wenn es nach Friedrich Merz geht Deutschland anscheinend übernehmen will. Denn nichts anderes ist die Zurückweisung an der Binnengrenze.

    Siehe Dänemark, deren Abschottung ging hauptsächlich zu Lasten Deutschlands.

    Die Lösung kann einzig in Europa liegen, beginnt mit den Geas Verfahren an der EU Aussengrenze und endet in einer Neuausrichtung des Dublin Verfahrens.

    Da braucht es weder Remigration noch Bleiberecht für alle.

    • @Sam Spade:

      Die anderen Europäer wollen aber partout keine deutschen Verhältnisse. Wer mitgemacht hat beim deutschen Weg wurde innerhalb weniger Jahre von Rechtspopulisten übernommen. Es gab in Europa wenn dann nur einen Konsens für mehr Abschottung. Die Merkeladministration hat die Fiktion einer europäischen Lösung nur behauptet um ihren Wählern nicht die Wahrheit zu sagen. In der Realität gibt es diese Option genauso wenig wie Abschiebungen. In Deutschland kann es nur um die Diskussion gehen wie wir die Einreise regeln. Wer erstmal hier ist bleibt auch hier. So viel Ehrlichkeit sollte auch sein.