Kommentar von Heike Holdinghausen über die Schadenersatzforderung gegen Monsanto: Konzerne, hört die Signale
Es ist an der Zeit, dass Bayer und VW sich mal bei den amerikanischen Gerichten bedanken. Schließlich bekommen sie von ihnen Warnschüsse, die ihnen die deutsche und europäische Politik seit Jahren verweigern. Leider erwecken beide Konzerne nicht den Eindruck, als würden sie das verstehen oder gar die richtigen Schlüsse aus den Gerichtsurteilen ziehen.
Mehr als 20 Milliarden Dollar hat der Wolfsburger Autobauer VW in den USA schon an Strafen und Entschädigungen gezahlt. Das zeigt, wo es für den Chemiekonzern Bayer hingehen könnte, wenn mehr Kläger als der bislang siegreiche Hausmeister DeWayne Johnson vor Gericht gegen Monsanto erfolgreich sind. Nun reagieren die erfolgsverwöhnten deutschen Manager – Selbstverständnis: Exportweltmeister durch Qualität – auf diese Summen relativ locker. VW feiert Bilanzrekorde und sieht keinen Grund, umzusteuern. Zwar will die Unternehmensführung 30 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren, setzt aber hauptsächlich weiter auf den Verbrennungsmotor. Ganz so, wie Bayer auf die Zutaten zu einer industriellen, ressourcenintensiven Landwirtschaft.
Ob die Schockwelle, die jetzt Anleger und Analysten erfasst, auch das Bayer-Management zittern lässt, ist nicht ausgemacht. Die möglichen Gefahren des Unkrautvernichters Glyphosat für Umwelt und Gesundheit waren ihm bekannt, sie werden seit Langem weltweit erbittert diskutiert. Auch das grottenschlechte Image des Saatgutherstellers Monsanto war der Bayer-Konzernführung bei der Übernahme bewusst. Und egal. Der oft an Regierungen erhobene Vorwurf, sie dächten immer nur bis zur nächsten Wahl, trifft Konzernführungen ja viel eher. Auch sie denken kurzfristig: Solange die Bilanzen in diesem Jahr stimmen, ist alles in Ordnung. Langfristig ist das ökonomisch eine riskante Strategie. Der Klimawandel ist inzwischen auch der Bevölkerung in den reichen Industrieländern unheimlich. Die entstehenden Mittelschichten in den wichtigen Schwellenländern Asiens sind nicht mehr gewillt, Smog und belastete Lebensmittel hinzunehmen. Mittelfristig gefragt sind nachhaltige Konsumgüter, Konzepte und Produktionsmethoden: CO2-neutral, ressourcenschonend und ungefährlich.
Wer morgen erfolgreich sein will, muss heute sein Angebot darauf ausrichten. Die umweltpolitisch seit Jahren abgetauchte Bundesregierung versäumt es, die Industrie mit strengen heimischen Grenzwerten, Vorschriften und Kontrollen fit für diese Märkte von morgen zu machen. Dass sich Bayer und VW bei den Gerichten bedanken, ist vielleicht zu viel verlangt. Die Botschaft sollten sie aber wahrnehmen.
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