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Kommentar verpasste Chancen der SPDAufschwung verzweifelt gesucht

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Bei einer Wirtschaftskrise würde die SPD untergehen. Denn um ihr Sozialprogramm umzusetzen, bräuchte sie eine Hochkonjunktur.

Olaf Scholz verbreitet Optimismus – aber einen ohne Grundlage Foto: dpa

J etzt eine Wirtschaftskrise? Es wäre der Untergang der SPD. Also will Finanzminister Olaf Scholz lieber nichts davon wissen, dass sich die Konjunktur eintrübt. Am Montag verbreitete er Optimismus: „Wir haben unverändert eine ordentliche wirtschaftliche Entwicklung. Die Beschäftigung nimmt weiter zu.“ Leider ist diese Zuversicht nicht von den Daten gedeckt.

Für eine Regierung ist es nie schön, von einer Rezession eingeholt zu werden, denn die Wähler sind ungerecht und neigen dazu, die Politik verantwortlich zu machen. Doch für die SPD geht es nicht um ein paar Prozentpunkte, sondern um ihr Überleben. Wenn jetzt eine Wirtschaftskrise ausbricht, lässt sich das neue SPD-Sozialprogramm garantiert nicht finanzieren – die Grundrente genauso wenig wie das verbesserte Hartz IV.

Tragischerweise würde auch der Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde scheitern, obwohl er an sich machbar wäre. Aber in einer Krise könnten die Firmen so gewaltige Klagelieder anstimmen, dass die SPD machtlos wäre.

Es war schon seltsam, dass Scholz erst im Herbst 2018 auffiel, dass man den Mindestlohn deutlich anheben müsste. Denn der Bundestagswahlkampf fand bekanntlich im Sommer 2017 statt. Aber diese eigenartige Verzögerung bringt es auf den Punkt: Die SPD hat ihre eigene Rettung verpasst.

Der Wahlkampf 2017 war die letzte große Chance, sich rechtzeitig von der Agenda 2010 zu verabschieden. Damals herrschte Hochkonjunktur, sodass sozialpolitische Korrekturen plausibel erschienen wären. Zudem hatte man mit Martin Schulz einen Kandidaten, der diese Wende hätte verkörpern können: Er war bekennender Nicht-Abiturient und stolz auf die eigene Herkunft aus der Provinz. Doch es fehlte das Konzept, und „Würselen“ allein war keine Botschaft.

Wirtschaftsprognosen sind unsicher, und vielleicht bleibt die Krise aus. Aber das würde der SPD nicht wirklich helfen: Um ihr Sozialprogramm umzusetzen, bräuchte sie eine Hochkonjunktur. Und die war 2017.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • Schon mal jemand darüber nachgedacht, dass das Sozialprogramm für D auch ein großes Konjunkturprogramm wäre?

    Gerade bei den Menschen mit kleinem und kleinsten Einkommen wird jeder € doch direkt für Anschaffungen benötigt.

    Also Mindestlohn auf 12 €, Hartz4 nachhaltig verbessern, die Rente wieder rauf (auch mit höheren Beitragszahlungen), und schon fluppt es auch wieder mit der Inlandsnachfrage, und D ist nicht mehr vom krankhaften Exportüberschuss abhängig.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Martin_25:

      Nein wäre es nicht, weil das was die Armen in Deutschland konsumieren hier nicht hergestellt wird, das Geld würde ins Ausland abfließen. Will der Staat die Konjunktur antreiben muss er Infrastruktur, Bildung, Rüstung investieren. Das sind Dinge die die lokale Wirtschaft stärken.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Die Autorin beschreibt sehr gut den Sinkflug des SPD-Ballons. Steht denn im (Sklaven-) Koalitionsvertrag auch, daß so viele Milliarden für Rüstung ausgegeben werden müssen? Denn damit könnte man fast einen sozialen Segen über die Republik streuen.



    (Gegen einen amerikanischen, russischen oder chinesischen Angriff kann sich Europa sowieso nicht verteidigen. Also sollten wir keinen Aufrüstungs-Zwergenaufstand machen und unser Geld für unsinnige Aufrüstung verbraten).



    Und PS: Die SPD ist sowieso am Ende, ohne oder mit Wirtschaftskrise.



    Selbstgemachte Krisen haben eben Qualität und führen sicher zum Ziel.

  • Was ist denn das für ein Sammelsurium von unbelegten Behauptungen und Vermutungen.



    Selbst wenn das Wachstum 0% wäre, heißt das nur, das das vorhandene sehr hohe Niveau gehalten wird.

    Da regt man sich über die vermeintlichen Kosten auf, verschweigt aber dabei die ungleich exorbitant höheren Kosten der Steuergeschenke, die die sog. Konservativen denjenigen machen, die eigentlich keine brauchen.

    Würde man diese Steuergeschenke verrechnen mit den Ausgaben für das Bürgergeld käme immernoch ein großes Plus herraus, selbst in der schlimmsten Wirtschaftskrise.

    Weiterhin läßt der Artikel außer Acht, daß der Staat sich auch ganz anders finanzieren könnte als nur Arbeit und Waren zu besteuern, zB über den Kapitalfluß.



    Also hier jetzt so eine reißerische Behauptung aufzustellen, ist eigentlich gänzlich abwegig.

    Ganz klar ist: Die Aussage dieses Artikels ist emotionale Vermutung, aber sicher nicht seriös berechnet.

  • Die Autorin vergisst, dass die Pläne der SPD den Bundeshaushalt dauerhaft jährlich um mehrere Milliarden Euro belasten würde. Daher kann es nicht darauf ankommen, ob in diesem oder nächsten Jahr genug Geld da ist, sondern ob eine Finanzierung dauerhaft gewährleistet ist. Und dies kann man wohl nur mit Nein beantworten.

    • @Lockenkopf:

      Mööp, Sechs, setzen!..

      Achtung, Knall, Puff, Zauberei: Wachstum, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer - so funktioniert's.

  • Die SPD braucht mehr Einnahmen um ihre Projekte umzusetzen, das bedeutet nicht unbedingt Hochkonjunktur. Bei einer guten Konjunktur steigen die Einnahmen nur von alleine.

    Aber dann bräuchte sie auch dafür ein gutes Konzept und glaubwürdige Leute, die das auch umsetzen könnten.

    • @Sven Günther:

      Die Konjunktur hängt auch von den Einnahmen aus Projekten der Bundesregierung ab, z.B. den Investitionen in Infrastruktur, Ausbildung, Gesundheitswesen etc.

      Herr Scholz brauchte also nur seine Fixe Idee von der schwarzen Null aufgeben, und schon wäre die Konjunktur gerettet. Es brauchten nur die CumEx Betrügereien geahndet werden, und schon wäre sogar für alle Sozialprogramme genug Geld da. Man müsste es wollen, und da sehe ich bei der SPD sehr schwarz.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Martin_25:

        Die Staatsverschuldung muss sinken weil wir auf einem begrenzten Planeten leben. Wenn die SPD mehr Geld ausgeben will soll sie mehr einnehmen aber sich nicht Prozente auf Lasten zukünftiger Generationen kaufen.