Kommentar über die Elbvertiefung: Staatlich verordneter Pfusch
Die Umweltverbände sollen Sündenbock spielen für das behördliche Planungsdesaster der Elbvertiefung. Geht's noch?
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Die Geschichte der Elbvertiefung ist eine Chronik der Inkompetenz und Ignoranz. Hamburg hätte sein Jahrhundertprojekt, von dem sein Schicksal vermeintlich abhängt, schon vor Jahren haben können, wenn Stadt und Bund sachgemäß und gesetzestreu gearbeitet hätten. Haben sie aber nicht. Das Perfide daran ist, dass sie dafür den Umweltverbänden die Schuld in die Schuhe schieben.
Hamburg bastelt derzeit, das verlangt das Bundesverwaltungsgericht, an der dritten Planergänzung. Zwei Planungen waren so indiskutabel, dass die Verantwortlichen sie selbst zurückzogen; die dritte Planung erklärte Leipzig für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Von Experten, die ein ganzes Jahrzehnt brauchen, um ein solches Desaster anzurichten, sollte sich niemand einen Carport entwerfen lassen.
Verantwortlich für diesen staatlich verordneten Pfusch ist die politische Vorgabe, die Baggerpläne ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen. Nur auf Druck höchster deutscher und europäischer Gerichte waren die politisch Verantwortlichen in Stadt und Bund dazu zu bewegen, rechtlich gesicherte Belange der Natur zu berücksichtigen. Dass Ökonomie auf Kosten der Ökologie ein Rezept aus der Steinzeit ist, nehmen Rathaus und Handelskammer bis heute nur widerwillig zur Kenntnis.
Wenn nun die Rettung des Schierlings-Wasserfenchels der letzte Erfolg der Umweltverbände sein sollte, wäre das akzeptabel. Sie haben verhindert, dass die Unterelbe zu einem leblosen Betonkanal verkommt. Die Elbvertiefung wird kaum noch aufzuhalten sein, aber sie käme auf einer vertretbaren Grundlage. Die Naturschützer haben erkämpft, was Politik und Wirtschaft von Anfang an hätten berücksichtigen müssen – gut, dass es sie gibt.
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