piwik no script img

Kommentar griechische SchuldenEZB darf nicht mal den Euro retten

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Niemand kann es mehr hören, aber jetzt stellt sich die systematische Frage: Wie soll diese Dauerhilfe für Griechenland finanziert werden?

W ahrscheinlich will niemand mehr das Wort „Griechenland“ lesen, denn es scheint der ewig gleiche Trott. Defizite, Hilfen, noch mehr Defizite, neue Hilfen, Schuldenschnitt, neue Defizite.

Dennoch wird in diesen Tagen eine entscheidende Zäsur erreicht – und genau deswegen konnten sich die Finanzminister bei ihrem Treffen am Montag nicht einigen. Es wird unübersehbar, dass Griechenland auf Dauer Hilfe braucht, wenn es im Euro bleiben soll. Und damit stellt sich eine systematische Frage, auf die bisher niemand eine Antwort hat: Wie soll diese Dauerhilfe finanziert werden? Der vage Begriff einer „Transferunion“ hilft jedenfalls nicht weiter, wenn es um die ganz konkreten Instrumente geht.

Die radikalste Lösung wäre, einen weiteren Schuldenschnitt zu vereinbaren. Da die griechischen Gläubiger inzwischen vor allem staatliche Stellen sind, würden die Kosten bei den Euroländern und ihren Steuerzahlern hängen bleiben. Konkret würden also die deutschen Staatsschulden steigen, damit die griechischen Staatsschulden sinken.

Bild: taz
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

In der Summe würden die Schulden also gleich bleiben; sie verlagern sich nur. Dennoch könnte dieses Nullsummenspiel den Euro sprengen. Denn nicht nur Griechenland wird einen Schuldenschnitt brauchen. Auch Portugal und Irland stehen in der Warteschlange. Es ist abzusehen, dass die Steuerzahler in den reicheren Euroländern irgendwann aufbegehren.

Viel schlauer wäre es daher gewesen, wenn es der EZB erlaubt wäre, die Schulden Griechenlands zu übernehmen. Auch dies wäre ein Nullsummenspiel – aber es wäre politisch viel weniger brisant. Aber leider ist die EZB ja keine normale Notenbank. Sie darf nichts, noch nicht einmal den Euro retten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • DZ
    Den Zu Reichen

    die Kohle abknöpfen.

    Das ist alles was hilft.

    Passiert aber niemals mit deren Einwilligung.

     

    Frau Herrmann aber glaubt leider immer noch ans Sandmännchen und daß es keine Exponentialfunktionen gibt, die zeigen, daß unendliches Wachstum die blödsinnige Grundannahme aller gutgläubigen "Euroretter"-Mitläufer ist.

    Die, die richtig daran verdienen, wissen, daß sie am lukrativen Ende eines Schneeballsystems sitzen.

  • Y
    yberg

    so wie griechenland,in wirklichkeit seine gläubiger, und die oberen 10 prozent der eu bürger die ganzen jahre finanziert wurden

     

    mit noch größerem wohlstandsverlust für die restlichen 90% der bürger

     

    tja,alltag der zu kurzen messer...

  • L
    Lilith90

    Herr Sonnenschein, meine Stimme haben Sie !

     

    Herr/ Frau Atan, der Euro und jedes andere Geld IST doch nur Papier! Bzw. schlimmer.. nur Zahlen auf Monitoren!

    Der 'Glaube' an einen Wert desselben ist somit nur noch in religiösen Kategorien zu verstehen. Das ist in der Tat ein richtiges Dilemma. Wir haben unseren spirituellen Halt auf ein mieses, menschengemachtes MODELL übertragen. Das ist noch nicht einmal ein ordentlicher Götze mit Dreizack oder Hufen oder sonstwas phantasievollem. Wer auf Treibsand baut, dem hilft auch die tolle Terasse nicht.

  • N
    naseweiser

    Wer hätte das gedacht !? Selbst die große VWL-Koryphäe von der großen TAZ ist mit ihrem Latein am Ende : einfach alle GR-Schulden in den Giftmüll-Bunker der EZB einlagern , ...bis ans Ende aller Tage !

    Ob die allerorten an den Finanzschalthebeln sitzenden Goldman-Sachs-Koryphäen d a r a u f noch nicht gekommen sind ? Oder haben die das den Merkels Schäubles Junckers et al noch nicht erklärt ?

    Wer blickt da hinter ...?

  • H
    H.Ewerth

    Warum wird immer geschrieben, dass Deutschlands Schulden steigen würden? Es würden Europas Schulden steigen, dies wäre die richtige Sichtweise. Solange sich diese Sichtweise nicht ändert, wird auch die Finanzrkise in Europa nicht gelöst werden.

     

    Europa ist keine Olympiade, nach dem Motto "THE WINNER TAK´S IT ALL"? und wer alles niederkonkuriert und am meisten Überschüsse in Europa erwirtschaftet, bekommt die Goldmedallie? Sondern Europa bedeutet gemeinsam die Finanzkrise lösen.

     

    Würde aber bedeuten, dass endlich die wahren Verantwortlichen dieser Krise zur Kasse gebeten werden. Nämlich die Investmentbanken, die in einer unverantwortlichen Weise mit Geldern die ihnen nicht gehörten, sich verspekuliert haben. Solange die Verursacher nicht zur Verantwortung gezogen werden, können sich die Länder kaputt, und die Menschen verhungern, es wird das Problem nicht lösen.

  • RT
    reiner tiroch

    dabei stellt GR mit 1,5% BIP nur einen kleinen Anteil dar. 66x so hoch ist das gesamte Ausmaß der krise in der EU. Ferner lasten auf dem gesamten Aktienmarkt noch 2,5 BILLIARDEN an maroder Derivaten. wer kann da denn noch behaupten was retten zu können? und wie?

  • A
    Atan

    Immerhin beginnt Frau Herrmann langsam zu ahnen, dass die Probleme etwas komplizierter sind als "die bösen Deutschen wollen ja bloß nicht zahlen!"

    Jetzt soll also die EZB Geld drucken, is' ja schließlich nur Papier.

    Das wäre in gewissem Sinne die US-Lösung, nur hat die Sache einen kleinen Haken: wenn irgendwann eine größere Anzahl Menschen realisiert, dass der Euro tatsächlich nur bedrucktes Papier ist, stellt dieser auch keinen nennenswerten Wert mehr dar.

    Jetzt vergleichen wir also mal EU und USA: die US-Fed ist tatsächlich die Notenbank eines straff organisierten Nationalstaates, des mächtigsten der Welt, reich an natürlichen Ressourcen, vital und innovativ. Bei der EU gibt es so etwas nicht, es gibt nur einen Haufen streitender Regierungen, der Machtbasis völlig unbestreitbar jeweils nur der eigene Teilstaat ist. Diese einigen sich immer nur auf ad-hoc-Formelkompromisse, die jeweils auch der eigenen Bevölkerung verkauft werden müssen.

    Die Existenz von Eurozone, EZB und EU stehen also unter einem wesentlich größeren Vorbehalt als die Fortexistenz der USA, dementsprechend geringer ist das Vertrauen in den Euro. Sobald also die EZB beliebig Geld druckt, stärkt sie dadurch die zentrifugalen Tendenzen der EU-Staaten, da sie den Einigungsdruck auf die Mitglieder verringert - alle haben dann zwar beliebig viel Geld, dessen Wert aber rapide abnimmt.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Wie waere es denn mit

     

    - Steueroasen wie die Schweiz endlich zur Verantwortung ziehen.

     

    - Finanztranskationsteuer einfuehren, und zwar kraeftig, eben so lange bis die Schulden getilgt sind, bei gleichzeitiger Vergabe guenstiger Kredite an GR und Co bis die Probleme geloest sind.

     

    - Aussenhandelsueberschuesse zwischen EU Laendern kraeftig besteuern.

     

    -Neudefinition von Bruttoinlandsprodukt, soziale und oekologische Faktoren mit einbeziehen.

     

    - Einfuehrung eines europaeischen Rechnungshofes oder einer aehnlichen Institution die eine aehnliche Situation in Zukunft verhindert.

     

    - Verhinderung von Steuerwettbewerb innerhalb der EU.

     

    Gut, das ist im Moment wohl Utopie. Da braucht es schon andere Staturen um das auf dem Weg zu bringen.

     

    Gegen die Einfuehrung eines Suedeuro wie von Heiner Flassbeck vorgeschlagen spricht auch nichts dagegen.

    Das wird wahrscheinlcih fuer Deutschland und den Rest des Nordens auch nicht viel billiger. Oder doch?

     

    Apropo, haette Europa von Beginnn der Krise mehr Einheit demonstriert und schneller reagiert dann waere Griechenland wohl um einiges biller gekommen. Nach der merkelschen Verzoegerungstaktik, Ratlosigkeit und Unfaehigkeit des Krisenmanagements nur vom griechischen Dauerpatienten zu sprechen ist schon etwas zynisch.

     

    Was ich nicht mehr hoeren kann ist das vor allem Griechenland das Problem sein soll.