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Kommentar deutsche Israel-PolitikNetanjahu unter Druck setzen

Kommentar von Martin Reeh

Die Bundesregierung hat bislang den Rechtsruck in Israel ignoriert. Jetzt sollte sie gemeinsam mit der EU Sanktionen verhängen und Palästina anerkennen.

Sagt Merkel, wo es langgeht: Israels Premier Benjamin Netanjahu. Bild: dpa

D as Zionistische Lager um Jitzchak Herzog hat sein Wahlziel verfehlt, aber dennoch einen großen Erfolg erzielt. Sein gutes Umfrageergebnis zwang Benjamin Netanjahu zur Aussage, dass es mit ihm keinen Palästinenserstaat geben wird. Das ist zwar de facto schon seit Längerem die Politik des israelischen Ministerpräsidenten, wurde aber bislang von verbalen Bekenntnissen zur Zweistaatenlösung übertüncht. Der sogenannte Friedensprozess, der auch in Papieren der Bundesregierung noch immer als Begriff auftaucht, ist längst ein potemkinsches Dorf.

Die Bundesregierung hat aus ebenso guten historischen wie falschen aktuellen Gründen in den letzten Jahren den Rechtsruck in Israel ignoriert. Zwischen der Hamas, die Raketen aus Gaza schickt, und der Netanjahu-Regierung war die Palästinenserregierung unter Mahmud Abbas eingeklemmt und zur Erfolglosigkeit verdammt.

Die Bundesregierung hat die Fatah-Politik der einseitigen Ausrufung eines Palästinenserstaates nicht unterstützt. Ihre Argumentation: Eine umfassende Nahost-Friedensregelung sei Vorbedingung für eine Aufwertung der Palästinenser. Diesen Frieden, so hat Netanjahu nun verkündet, wird es nicht geben. Wenn es die Bundesregierung mit dem Engagement für eine Nahostlösung ernst meint, müsste sie jetzt die einseitige Anerkennung Palästinas vorantreiben und – gemeinsam mit der EU – Netanjahu mit Sanktionen unter Druck setzen.

Das wäre im Übrigen keine antiisraelische, nicht einmal eine antizionistische Politik. Inzwischen ziehen zahlreiche junge Israelis nach Berlin. Dass sie in ihrem Land keine Perspektive mehr sehen, ist auch die Konsequenz einer deutschen Politik, die nicht wahrhaben will, dass Israel zunehmend von nationalreligiösen Extremisten geprägt wird.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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20 Kommentare

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  • "Jetzt sollte sie gemeinsam mit der EU Sanktionen verhängen und Palästina anerkennen. "

     

    Ach so. Als Strafe dafür, dass die israelischen Wähler nicht so gewählt haben, wie der deutsche Michel - pardon: Herr Reeh - es sich gewünscht hätte?

  • "Wenn es die Bundesregierung ...ernst meint, müsste sie jetzt..."

    Ja, wenn.

    Das Israels Regierungen (ob mit Netanyahu oder Herzog oder Olmert oder ...) keinen Palästinenserstaat zulassen werden und Tag für Tag systematisch Fakten schaffen, die einen solchen Staat unmöglich machen, ist der Bundesregierung seit Jahren, seit Jahrzehnten bekannt.

    Nach zionistischer Auffassung sind Samaria und Galiläa Teil des heiligen Israel, und sie denken nicht daran, dort einen Staat der Palästinenser zuzulassen.

    Das wissen die Regierungen Europas und der USA seit langem, und es spricht nichts dafür, das sich jetzt durch die offene Erklärung Netanyahus etwas in der Israel-Politik dieser Länder ändert. Vielleicht wird die Rethorik ein bißchen verändert - faktisch wird alles beim Alten bleiben.

  • Eine Friedensregelung würde sicher einiges an Bewegung auf der israelischen Seite erfordern, vor allem aber sehr viel Bewegung auf der palästinensischen Seite. Es ist einfach absurd, wenn so getan wird, als ob alle Hindernisse für eine Friedensregelung nur auf israelischer Seite zu finden wären, während in Wahrheit die palästinensische Seite nicht einmal in der Lage ist, innerpalästinensischen frieden herzustellen. Solange das Palästinensergebiet in das Fatah-kontrollierte Westjordanland und das Hamas-kontrollierte Gaza gespalten ist, ist eine israelisch-palaästinensicher frieden sowieso nicht machbar, unabhängig davon, was Israel tut oder nicht tut.

    • @yohak yohak:

      sorry, aber das ist ein bekanntes " flip flop " argument.

       

      als fath und hamas ihren zusammenschluss verkündeten, lehnte netanjahu jegliche gespräche mit terroristen oder ausgemachten unterstützern ab.

       

      der staat israel ist die militärische besatzungsmacht und damit hat auch nur der staat israel die möglichkeit die besatzung zu beenden.

      die völkerrechtswidrige besatzung und besiedlung dauert nunmehr bereits 48 jahre.

       

      wie lange kann es die weltgemeinschaft noch dulden, dass den palästinensern unter militärischer besatzung leben müssen?

      • @p.maxwell:

        Die "Besatzung" zu beenden, wird das Problem noch lange nicht beenden. Wir dürfen doch nicht vergessen, dass die "Besatzung" die Folge eines Krieges, den die Araber/Palästinenser gegen Israel geführt haben und noch immer führen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gaza nicht mehr besetzt ist und genau von dort die meisten Angriffe auf Israel gestartet werden. Daraus ergibt sich doch die logische Schlussfolgerung für Israel, dass wenn Israel alle "besetzten" Gebiete aufgibt, es auch von dort aus Raketen nach Israel hagelt. Die Aufgabe der besetzten Gebiete kann nur die Folge eines Friedensabkommens zwischen Israel und den Palästinensern sein und muss unter internationaler Mitwirkung vonstatten gehen, um sicher zu stellen, dass Israel in Frieden leben kann.

        • @DavidOff:

          Wie man heute, 2015, noch behaupten kann, das 1967 "die Araber/Palästinenser (einen Krieg) gegen Israel geführt haben", ist mir absolut unverständlich.

        • @DavidOff:

          @davidoff,

          sorry, aber die besatzung ist eine folge des 67er kriegs, der von israel " pre empive " geführt wurde.

          aber auch in diesem fall gelten die internationalen normen für eine militärische besatzung.

          zu gaza, nach ihrer logik müsste die abriegelung westberlins durch die sowjets dann auch gerechtfertigt sein, nur das die westberliner wenigstens noch einen flugahefn hatten.

          netanjahu hat sich doch gerade von diesen " friedensgesprächen " verabschiedet.

           

          peter beinhart hat in der heutigen " haaretz " einen interessanten artikel aus der sicht eines jüdischen liberal zionisten geschrieben, in dem er ausdrücklich sanktionen gegen den staat israel fordert. - siehe taz artikel:

          us raektionen auf israel wahl.

          • @p.maxwell:

            was heißt hier "zu gaza, nach ihrer logik..."? Was die Teilung Berlins mit Gaza zu tun hat, ist mir schleierhaft. Gaza war von Israel besetzt. Nachdem es wieder unbesetzt ist, wird Israel mit Raketenschauern belohnt. Ihre Logik ist für mich nicht ganz nachvollziehbar.

      • @p.maxwell:

        „wie lange kann es die weltgemeinschaft noch dulden, dass den palästinensern unter militärischer besatzung leben müssen?“

         

        Die Situation der Christen in den 19 Jahren jordanischer Besatzung des damals so bezeichneten „Westjordanlandes“ war aber auch kein Zuckerschlecken! Von den seinerzeit dort lebenden 25.000 Christen haben 15.000 in diesen Jahren das Land verlassen. Aber das hat hier in Europa nie jemanden interessiert.

         

        Immerhin können die Palästinenser trotz „Besatzung“ ihre Kindergärten und Plätze noch immer mit den Namen von Selbstmordattentätern schmücken, damit nur keiner der lieben Kleinen auf die Idee kommt, mit ihrer Generation würde der Frieden ausbrechen.

        • @L'Occitane:

          @l`occitane

           

          meine frage,

          wie lange die militärische besatzung noch dauern soll, die sie ja selbst eingangs zitieren, haben sie nicht beantwortet, oder?

          • @p.maxwell:

            Die von Ihnen erwähnte „weltgemeinschaft“ hat den Juden das Gebiet bis zum Jordan vertraglich zugesichert. Der Vertrag, mit dem dies geschah, ist ratifiziert und überdies durch Artikel 80 der UN-Charta bestätigt worden.

            http://www.un.org/depts/german/un_charta/charta.pdf

             

            Wo sehen Sie demnach Besatzung? Besetzt war das Land in den 19 Jahren der jordanischen Herrschaft (anerkannt nur von Großbritannien und Pakistan), aber da hat sich keiner der dort lebenden Araber beschwert, obwohl die Lebensbedingungen ungleich schlechter waren. Und ohne PLO-Terrorismus hätten sich daraus seit 1967 blühende Landschaften entwickelt.

            • @L'Occitane:

              offen gesagt, habe ich einem derartig offen gezeigtem zynismus, der in seinen aussagen vom ganz rechten spektrum zu kommen scheinen, nichts mehr entgegenzusetzen.

              • @p.maxwell:

                Offen gesagt ist das Schubladendenken.

                Das mit den "blühenden Landschaften" hört sich zwar pathetisch, wenn nicht gar verbraucht an, aber wenn Sie bedenken, dass sich das Bruttosozialprodukt in den Gebieten zwischen 1970 und 1980 mehr als verdoppelte und gerade ungelernte Araber zu Lohn und Brot kamen, ist Zynismus wohl nicht der richtige Ausdruck. http://www.sixdaywar.org/content/growth.asp

  • mit seiner absage an die " 2 staaten lösung " kommt zwangsläufig ein " bi nationaler staat ", der de facto ja bereits existiert und in dessem gebiet in etwa gleichviele juden, wie nicht-juden leben.

     

    die frage ist nur, wie sich dieser staat dann definieren soll:

     

    a) als staat mit gleichen rechten für alle, oder

    b) als ein staat mit unterschiedlichen bürgerechten für seine bewohner.

     

    anhand der beantwortung dieser frage sollten sich laut unserem wertekanon die reaktion deutschlands und der eu orientieren.

  • " Inzwischen ziehen zahlreiche junge Israelis nach Berlin. Dass sie in ihrem Land keine Perspektive mehr sehen, ist auch die Konsequenz einer deutschen Politik, die nicht wahrhaben will, dass Israel zunehmend von nationalreligiösen Extremisten geprägt wird."

     

    Inzwischen? Nach Berlin ziehen schon seit lange viele junge Israelis, und das hat nicht immer unbedingt mit der israelischen Politik zu tun oder damit, dass Puddings in Berlin billiger als in Tel Aviv sind. Allerdings ist es schon starker Tobak, wenn der Autor der Bundesregierung Schuld an steigenden Preisen in Israel gibt und hier die Meinung vertritt, Israel würde von "nationalreligiösen Extremisten" geprägt werden. Ist es nicht eher so, dass die "nationalreligiösen Extremisten" von der Hamas mit ihren Raketensalven und den vielen Attentaten durch "Einzelkämpfer" Aufwind bekommen? Ich glaube, dass der Autor und viele andere "Israelkritiker" das Prinzip Ursache und Wirkung verkennen.

    • @DavidOff:

      Aufwind bekommt die Hamas vor allen Dingen weil Netanjahu jetzt öffentlich erklärt hat was schon seit Jahren klar ist.

       

      Er will keine friedliche Einigung mit den Palästinensern noch substantielle Verhandlungen führen also ist es auch ziemlich offensichtlich wer hier "Ursache und Wirkung" verkennt!

    • @DavidOff:

      Sehr richtig. Es ist schon merkwürdig, wie mit Druck auf Israel die Zerstrittenheit der Palästinenser verbessert werden soll. Nicht nur die Hamas in Gaza ist mit der Fatah in der Westbank zerstritten und unfähig zur Kooperation. In der Fatah selbst brodelt es auch gewaltig und gewalttätig.

       

      Palästina als Staat anzuerkennen verbessert nichts am Schicksal der Palästinenser. Es ist reine Symbolpolitik.

       

      Die jungen Israelis in Berlin passen auch ganz gut hierher. Sie gehen auf Technoparties, trinken Latte und Club Mate, hängen auf Flohmärkten rum. Klar maulen sie auch gerne über die Israelische Politik und besonders Bibi. Linksintelektuelle Hipster gibt es in Tel Aviv aber viele tausend mehr als in Berlin. Israelis kommen aus den gleichen Gründen wie junge Leute aus der ganzen Welt nach Berlin.

    • @DavidOff:

      Aufwind bekommt die Hamas vor allen Dingen weil Netanjahu jetzt öffentlich erklärt hat was schon seit Jahren klar ist.

       

      Er will keine friedliche Einigung mit den Palästinensern noch substantielle Verhandlungen führen also ist es auch ziemlich offensichtlich wer hier "Ursache und Wirkung" verkennt!

      • @Hussain Ali:

        Ne. Menschen wie Netanjahu bekommen dank der Hamas und Hisbollah Aufwind.