Kommentar blutige Kämpfe in Libyen: Enttäuschte Erwartungen
Libyen war schon immer ein Staat mit schwacher Zentralregierung, Gaddafi nutzte das geschickt aus. Jetzt ist die Lage jedoch schlimmer als 2011.
B lutige Auseinandersetzungen mit Hunderten von Toten. Ausländer, Diplomaten auf der Flucht. Wer 2011 den Umsturz des Gaddafi-Regimes miterlebt hat, der versichert heute, dass die Lage viel schlimmer ist als damals.
Libyen war immer schon ein Staat mit schwacher Zentralregierung, die Macht lag bei den verschiedenen Stämmen des Landes. Gaddafi wusste dies geschickt zu seinem Vorteil auszunützen. Erst als die NATO Angriffe flog, machten die verschiedenen Stammes-Milizen sich Gedanken über ihre künftige Rolle im Staat.
Die Erwartungen waren hoch: Wer gegen Gaddafi gekämpft hatte, würde im neuen System eine wichtige Rolle übernehmen. Hier begannen die ersten Rivalitäten und Machtkämpfe zwischen den Milizen. Dass in der Hauptstadt eine Zentralregierung versuchte, in Gang zu kommen, wurde von den Kontrahenten ignoriert und sabotiert. Daran änderte sich auch nichts, als 2012 Parlamentswahlen stattfanden.
Rasch verbreitete sich der Eindruck, dass die Islamisten – Muslimbrüder und Radikalere – über die „Unabhängigen“ die Macht an sich rissen. Zwischen Islamisten und Säkularen ergab sich so der nächste Konflikt. An deren Spitze Khalifa Haftar, Ex-General aus Gaddafi-Zeiten, der lange Jahre im US-Exil verbrachte und nun angetreten ist, mit einem „Obersten Militärrat“ nach ägyptischem Muster die Islamisten zu bekämpfen. Damit verfolgt er dasselbe Ziel wie die schwachen staatlichen Streitkräfte, ohne aber mit diesen zu koooperieren.
Der Verdacht liegt nahe, dass er – wieder nach ägyptischem Vorbild – die Macht übernehmen will und der Demokratisierungsprozess auf der Strecke bleibt: Im inzwischen neu gewählten Parlament soll der Einfluss der Islamisten nur noch gering sein, an einer ersten Zusammenkunft nahmen diese erst gar nicht teil. Das Treffen fand im relativ sicheren Tobruk statt. Nicht in der Hauptstadt Tripolis.
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