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Kommentar bloßstellende FotosMaas fehlt der Durchblick

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Beim Ausweiten des Strafrechts geht Justizminister Maas zu weit. Sein Entwurf macht Familienfeste künftig zum Nervenkitzel und berührt die Pressefreiheit.

Auf der Wiesn auf der Wiesn: Ab sofort Fotoverbot. Bild: reuters

W as ist nur in Justizminister Heiko Maas (SPD) gefahren? Künftig soll mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, wer „unbefugt“ ein „bloßstellendes“ Foto macht und dieses weiterverbreitet. Der Straftatbestand ist jedoch viel zu unbestimmt und geht deshalb viel zu weit.

Bisher ist es so: Wer einen anderen verprügelt, macht sich strafbar. Wer den Verprügelten dann fotografiert und das Foto im Freundeskreis herumreicht, bleibt dagegen straflos. Auf solche Akte seelischer Grausamkeiten zielt der Gesetzentwurf offensichtlich.

Die neue Strafvorschrift ist in Maas’ Gesetzentwurf gegen Kinderpornografie versteckt. Als Reaktion auf die Edathy-Affäre sollen künftig alle unbefugten Nacktbilder von Kindern und Erwachsenen strafbar werden. Und weil man gerade beim Ausweiten des Strafrechts so schön in Fahrt war, werden nun auch gleich noch alle „bloßstellenden“ Fotos unter Strafe gestellt.

Familienfeste werden damit zum Nervenkitzel besonderer Art. Wem gelingt es, keine Fotos zu machen, die einer der Abgebildeten als peinlich oder entwürdigend empfindet? Die Drohung mit dem Staatsanwalt dürfte die Gesprächskultur im Familienkreis sicher bereichern.

Alles nicht so gemeint

Auch das Handy auf dem Schulhof wird dank Fotofunktion zur strafrechtlich relevanten Waffe. Jedes peinliche Foto wird künftig zur Straftat. Bilder von heimlichen Küssen oder von Tränen nach der misslungenen Klassenarbeit wollen viele Kinder nicht weiterverbreitet sehen. Künftig könnte man zur Rache immerhin die Polizei einschalten.

Natürlich wird Heiko Maas sagen, so sei das alles nicht gemeint. Die Strafvorschrift solle sich auf die gravierendsten und entwürdigendsten Fälle der Bloßstellung beschränken. Aber laut Gesetzentwurf sollen nun mal bloßstellende Fotos aller Art bestraft werden.

Nicht zuletzt aber berührt der Gesetzentwurf die Pressefreiheit. Machtkritik kann durchaus bloßstellend sein. Eine solche Strafvorschrift schafft unnötig Rechtsunsicherheit. Ist ein Foto „unbefugt“ und damit strafbar, wenn es Wolfgang Schäuble beim Sudoku-Spiel im Bundestag zeigt – während zugleich über riskante Hilfen für Griechenland debattiert wird?

Maas’ Gesetzentwurf fehlt jedes Problembewusstsein für solche Fragen. Er wird in dieser Form sicher nicht Gesetz werden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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13 Kommentare

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  • Man sollte sich nicht über den Gesetzentwurf (so es denn einen gibt) aufregen, sondern über die, die solche Schritte nötig machen, um Kinder zu schützen. Wie so oft, verletzt hier das Fehlverhalten Einiger, die Freiheiten aller anderen. Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben, wie man gegen Kinderpornographie vorgehen kann, dann äußern Sie den doch mal, Herr Rath. Sagen, wie es nicht geht, kann ja jeder.

  • Man könnte fast meinen, es wär schon wieder Sommerloch...

     

    Der Gesetzesentwurf läßt so viele Fragen offen, so viel Spielraum für Mißbrauch in so viele Richtungen: Vielleicht sollte man der Regierung raten, reinen Tisch zu machen und das Fotografieren einfach generell zu verbieten?

     

    Das wäre doch mal ein innovativer Schritt der Großen Koalition! Mut zu großen Entscheidungen! Wann, wenn nicht jetzt?

  • Wieder ein Schritt auf dem Weg in den Totalitarismus. Denn eines der wichtigsten Kennzeichen eines totalitären Staates ist, dass jeder Mensch ein Verbrecher ist - einfach weil die Gesetze so sind, dass jeder Mensch sie irgendwann verletzen muss.

     

    Sicher, es ist nur ein Schritt - niemand muss auch nur irgendein Foto weiterverbreiten. Allerdings gibt es Leute, deren Beruf es ist, Fotos weiterzuverbreiten - Journalisten. Die wären damit unter vollständiger Kontrolle. Und welche Augenzeugen irgendwelcher Ereignisse könnte ihnen noch ungefährdet Bilder geben? Wäre ja Weiterverbreitung. Klar, solche Gesetze werden niemals radikal in allen Fällen durchgezogen. Das ist aber gerade die Gefahr: Die Zeitungen werden Fotos publizieren, die Augenzeugen werden sie ihnen geben - aber wenn jemand sich bei den Machthabern unbeliebt gemacht hat, dann wird man etwas suchen, und bei solchen Gesetzen eben auch finden, weswegen man ihn einsperren kann.

  • Fast gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf des Bundesjustizministers haben namhafte Wissenschaftler und Praktiker vor einer Ausweitung des Strafrechts genau in diesen Fragen gewarnt:

    http://www.strafvollzugsarchiv.de/index.php?action=archiv_beitrag&thema_id=4&beitrag_id=693&gelesen=693

    • @Johannes Feest:

      @Johannes Fest,

       

      ja eine interessante Unterschriftenliste. Neben Namen, die fast immer auftauchen, wenn es um die Verharmlosung von Pädokriminalität geht, haben auch Leute unterzeichnet, von denen ich in dem Zusammenhang noch nicht gehört hatte.

       

      Alles Mitglieder der Humanistischen Union?

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Absurd: Wenn jemand angetrunken ist und einem Foto zustimmt ist, bleibt dies straffrei. Hat er aber etwas mehr getrunken und kann daher nicht mehr wirksam zustimmen, so wird es strafbar.

     

    Kein Moment ist mehr unbeobachtet - überall "lauern" hochauflösende Handykameras. Es ist sicher eine gesellschaftliche Diskussion nötig, wo die Grenzen des zur Schau stellen sein sollen und wie wir damit umgehen, dass wir alle nicht perfekt sind:

    Darf ich jemanden fotografieren, wenn er in der Nase bohrt, gähnt, bei Rot über die Strasse geht, betrunken oder nackt ist? Haben wir ein Recht auf ein makelloses Selbstbild im Netz?

    Oder brauchen wir vielmehr eine Kultur der Ehrlichkeit und Offenheit, die auch peinliche Augenblicke toleriert?

    Die Ausnahme für Eltern in dem Gesetzesentwurf greift zudem zu kurz: Was ist, wenn nicht nur die eigenen Kinder im Garten planschen?

     

    Schlussendlich ist auch die Höhe der Strafandrohung absurd. Drei Jahre Haft für ein blossstellendes Foto scheinen unverhältnismässig.

  • Genau. Der Terminus "bloßstellend" ist nämlich kein nachvollziehbares Meßwerkzeug, sondern stellt es ins Belieben des Fotografierten, was er "gefühlt (!)" als solches empfindet. Daraus wird sofort ein Willkür- und Gummiparagraph, weil bereits gefühltes Leid strafwürdig wird, ohne es objektiv messen zu können. Jede Diktatur hat solche Gummiparagraphen. Möglicherweise ja gut gemeint, aber ganz schlecht ausgedacht. Einem Juristen sollte das nicht passieren.

  • Sie beziehen sich hier ständig auf einen "Gesetzentwurf", Christian Rath, den ich aber nirgends finde. Wenn es ihn denn schon gibt, wäre ein Link hilfreich.

     

    Anderenfalls hätten Sie es lieber halten sollen wie ich: Kein Kommentar zum Hörensagen. Ich bin bei dem Thema auch hin- und hergerissen, aber solange ich keine konkrete Formulierung auf dem Tisch habe...

  • Dies ist nur ein Link auf ein zweidimensionales Bild einer dreidimensionalen Skulpur, für für die sicher ein real existierendes Kind (Knabe) Modell gestanden hat.:

     

    http://inzumi.com/images/destinations/BE_Br__ssel_Manneken_Pis_1.jpg

     

    Konsequenter Weise müsste nach Heiko Maas dieses "Kinderpornomodell" eingeschmolzen werden, weil sich Päderasten daran ergötzen könnten.

     

    Das werden unsere Nachbarn aber ganz bestimmt nicht machen.

     

    Aber Alleingänge in der EU?

  • Es muss ja nicht immer bösartig sein, wenn man einen Verprügelten fotografiert. oder filmt. Wie ist das denn, wenn man filmt, wie Polizisten brutal einen Demonstranten verprügeln. Demnächst macht man sich da dann strafbar, wenn man diese Aufnahmen anderen Personen zeigt oder gar ins Netz stellt.

    • @vulkansturm:

      Exakt den Gedanken hatte ich auch schon:

       

      http://taz.de/Gesetzentwurf-nach-Edathy-Affaere/!136718/#bb_message_3113610

       

      Das würde den Olaf Schills und Neumännern unter den Christ & SozialPostDemokraten massiv in die Hände spielen. Ähnlich wie das Polizisten-Fotografierverbot in England...

       

      Daß die überhaupt auf den Gedanken kommen, so was als Vorlage anzubringen ist schon unfassbar...

  • Das muss ich einfach dazu posten:

    http://www.muenchenkotzt.de/

    • @SomeoneOutThere:

      grossartig! Auch der Disclaimer: HOMMAGE AN JOHN BALDESSARI