Kommentar bloßstellende Fotos: Maas fehlt der Durchblick
Beim Ausweiten des Strafrechts geht Justizminister Maas zu weit. Sein Entwurf macht Familienfeste künftig zum Nervenkitzel und berührt die Pressefreiheit.
W as ist nur in Justizminister Heiko Maas (SPD) gefahren? Künftig soll mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, wer „unbefugt“ ein „bloßstellendes“ Foto macht und dieses weiterverbreitet. Der Straftatbestand ist jedoch viel zu unbestimmt und geht deshalb viel zu weit.
Bisher ist es so: Wer einen anderen verprügelt, macht sich strafbar. Wer den Verprügelten dann fotografiert und das Foto im Freundeskreis herumreicht, bleibt dagegen straflos. Auf solche Akte seelischer Grausamkeiten zielt der Gesetzentwurf offensichtlich.
Die neue Strafvorschrift ist in Maas’ Gesetzentwurf gegen Kinderpornografie versteckt. Als Reaktion auf die Edathy-Affäre sollen künftig alle unbefugten Nacktbilder von Kindern und Erwachsenen strafbar werden. Und weil man gerade beim Ausweiten des Strafrechts so schön in Fahrt war, werden nun auch gleich noch alle „bloßstellenden“ Fotos unter Strafe gestellt.
Familienfeste werden damit zum Nervenkitzel besonderer Art. Wem gelingt es, keine Fotos zu machen, die einer der Abgebildeten als peinlich oder entwürdigend empfindet? Die Drohung mit dem Staatsanwalt dürfte die Gesprächskultur im Familienkreis sicher bereichern.
Alles nicht so gemeint
Auch das Handy auf dem Schulhof wird dank Fotofunktion zur strafrechtlich relevanten Waffe. Jedes peinliche Foto wird künftig zur Straftat. Bilder von heimlichen Küssen oder von Tränen nach der misslungenen Klassenarbeit wollen viele Kinder nicht weiterverbreitet sehen. Künftig könnte man zur Rache immerhin die Polizei einschalten.
Natürlich wird Heiko Maas sagen, so sei das alles nicht gemeint. Die Strafvorschrift solle sich auf die gravierendsten und entwürdigendsten Fälle der Bloßstellung beschränken. Aber laut Gesetzentwurf sollen nun mal bloßstellende Fotos aller Art bestraft werden.
Nicht zuletzt aber berührt der Gesetzentwurf die Pressefreiheit. Machtkritik kann durchaus bloßstellend sein. Eine solche Strafvorschrift schafft unnötig Rechtsunsicherheit. Ist ein Foto „unbefugt“ und damit strafbar, wenn es Wolfgang Schäuble beim Sudoku-Spiel im Bundestag zeigt – während zugleich über riskante Hilfen für Griechenland debattiert wird?
Maas’ Gesetzentwurf fehlt jedes Problembewusstsein für solche Fragen. Er wird in dieser Form sicher nicht Gesetz werden.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren