Kommentar Zukunft der SPD: Selber Schulz?
Neue Umfragen lassen die SPD hoffen. Der Blick auf vergangene Wahlen zeigt aber: Vor Übermut wie Ausschließeritis sollte sie sich hüten.
D er Jubel in der Partei ist groß: Am Sonntag wird der SPD-Vorstand Martin Schulz offiziell zum neuen sozialdemokratischen Glücksbringer küren. Der bisherige Europapolitiker, so wunderbar unbelastet vom trüben großkoalitionären Alltagsgeschäft, soll die Partei wieder in lichte Höhen führen.
Das Lebensschicksal „der hart arbeitenden Menschen in diesem Land, die sich an die Regeln halten“, will er zum Leitmotiv der SPD machen. Damit adaptiert Schulz eine zentrale Parole aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf Bill Clintons von 1992: „I want a country where people who work hard and play by the rules are rewarded, not punished.“ Ob Schulz damit ebenso erfolgreich sein kann?
Der designierte SPD-Kanzlerkanidat postuliert, seine Partei wolle wieder „stärkste Kraft“ werden und „das Land führen“. Euphorisch feiern die GenossInnen ihn dafür. Die Aufbruchstimmung ist keine gespielte. Doch die SPD sollte sich nicht von den hochfliegenden Startumfragen blenden lassen. Die hatten auch schon andere, die dann am Wahltag unsanft landeten.
Nur wenn sich in den kommenden Monaten tatsächlich der Abstand zur derzeit noch weit vorn liegenden Union signifikant verringert, erhält sich die mobilisierende Wirkung solcher Großmäuligkeit. Sobald die Werte stagnieren, wirkt ein solcher Anspruch schnell nur noch lächerlich.
Ein alter Fehler
Auch seine Vorgänger als SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück hatten sich 2009 und 2013 siegesgewiss gegeben – nur nahm es ihnen niemand ab. Durch die kategorische Ablehnung einer Koalition mit der Linkspartei erschien ihr vermeintliches Ringen um die Kanzlerschaft völlig unrealistisch.
Ein alter Fehler: Schon 1987 hatte sich Johannes Rau selbst zum aussichtslosen Zählkandidaten degradiert, als er ein Bündnis mit den Grünen definitiv ausschloss und die aberwitzige Behauptung aufstellte, die SPD könne die Rückkehr an die Macht „aus eigener Kraft“ schaffen. Helmut Kohl konnte sich die Hände reiben, später dann Angela Merkel.
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Von solch demobilisierender Ausschließeritis hat sich die SPD inzwischen immerhin verabschiedet. Stattdessen will Schulz nun „in welcher Konstellation auch immer“ Kanzler werden. Seine Chancen werden sich allerdings nur erhöhen, wenn es ihm gelingt, keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass die SPD nicht letztlich doch nur wieder in der Großen Koalition mit einer Unionskanzlerin landet. Das wird schwer angesichts des großen Vorsprungs der Union vor der SPD und der schlechten Umfragewerte für Rot-Rot-Grün.
Sozialer, aber nicht gerechter
Schulz hat angekündigt, dass er neben der Bekämpfung des europaweit erstarkenden Rechtspopulismus die soziale Gerechtigkeit zu seinem Schwerpunkt im Wahlkampf machen will. Das liegt ganz auf der Linie des Noch-Parteichefs Sigmar Gabriel. Der gravierende Unterschied ist, dass Schulz nicht durch die schwarz-rote Regierungsarbeit kontaminiert ist. Er kann die alten sozialdemokratischen Werte glaubhafter propagieren als ein SPD-Minister, dessen kapitalfreundliche Praxis die hehren Ansprüche doch allzu oft demontierte.
Die Glaubwürdigkeit wird entscheidend sein für Schulz’ Erfolg. Ihr Fehlen insbesondere in der Frage der sozialen Gerechtigkeit ist seit der Agenda 2010 der zentrale Malus der SPD. Anders als nach der ersten Großen Koalition Merkels fällt diesmal die Bilanz für die SPD zwar nicht völlig verheerend aus. Das Beispiel Mindestlohn zeigt: In den vergangenen Jahren ist das Land tatsächlich etwas sozialer geworden – aber nicht gerechter. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist trotz guter Konjunktur gewachsen.
Wer das ändern will, muss Vorschläge für eine Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten machen. Schöne Allgemeinplätze fürs sozialdemokratische Poesiealbum reichen nicht. Ob Schulz dazu den Mut hat? Und falls ja: Werden ihm die WählerInnen glauben, dass er es ernst meint?
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