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Kommentar Zschäpe im NSU-ProzessDas klingt nach Chaotisierung

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

„Etwas“ möchte Beate Zschäpe aussagen. Vielleicht. Große Erkenntnisse brächte das sicher nicht. Das Gericht sollte besser auf Zeugen setzen.

Sie wird sich zu den Kernfragen des NSU-Prozesses sicher nicht äußern: Beate Zschäpe Foto: dpa

N un will Beate Zschäpe im NSU-Prozess also doch sprechen? Offene Fragen, die die Hauptangeklagte – und wahrscheinlich nur sie – beantworten könnte, gäbe es in der Tat genug. Wonach wählten die Rechtsterroristen ihre Opfer aus? Hatte der NSU Helfer an den Tatorten? Woher kamen all die Waffen?

Allein: Es wird dazu keine Antworten geben. Nicht von Beate Zschäpe. Hätte die Angeklagte diese Kernfragen beantworten und reinen Tisch machen wollen – sie hätte es längst tun können. Stattdessen kündigt sie nun, nach mehr als zwei Jahren Verhandlung, an, sich mit dem „Gedanken“ zu tragen, „etwas“ auszusagen.

Das klingt nicht nach großer Einlassung, sondern eher: Hier geht es Zschäpe darum, das Verfahren, dessen Anklage bisher nicht erschüttert wurde, zumindest noch zu chaotisieren. Und Gründe für eine spätere Neuaufnahme des Verfahrens zu schaffen – mithilfe eines vermeintlichen Zerwürfnisses mit ihren Anwälten. Sollte Zschäpe wirklich sprechen, dürfte sie allenfalls Randaspekte offenbaren.

Wichtig ist daher, dass die Richter die Ruhe bewahren und die Beweisaufnahme ordentlich zu Ende bringen. Am heutigen Dienstag etwa soll nochmals ein früherer Weggefährte Zschäpes aussagen. Kay S., einst Neonazi in Jena. Er wartete im Prozess bereits mit einer Überraschung auf: So habe er 1996 mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einen Puppentorso an einer Schlinge von einer Brücke gehängt mit der Aufschrift „Jude“.

Damals mit dabei: Beate Zschäpe. Das war bisher nicht bekannt. Und würde wieder mal beweisen, dass Zschäpe offenbar sehr wohl aktionsorientierte Rechtsextremistin war.

Kaum vorstellbar, dass dies die Angeklagte selbst eingeräumt hätte. Das zeigt: Die Erkenntnis solcher Zeugenaussagen ist größer als alles, was Zschäpe wohl aussagen würde.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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5 Kommentare

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  • Als Zschäpe sich seinerzeit nach fünftägiger Flucht der Polizei stellte, wollte sie auspacken, unter der Bedingung, dass man ihr Straffreiheit nach der Kronzeugenregelung zusichert. Generalbundesanwalt Harald Range lehnte solche Deals allerdings konsequent ab. Nun wird man schlechterdings nicht mehr argumentieren können, Zschäpe hätte von alldem gar keine Ahnung gehabt und sei nur zufällig in die Fahndung gerutscht. Weil die Kronzeugen-Karte nicht stach, kann jede halbwegs vernünftige Verteidigung nur noch auf ihr Schweigen setzen. In diese Lage hat Sie sich allerdings ganz allein selbst manövriert.

    Jetzt setzt sie alles auf ein Wiederaufnahmeverfahren mit einer anderen Verteidigung, bevor die Beweisaufnahme abgeschlossen ist. Davon wird das Gericht keine erheblichen neuen Erkenntinsse und Zschäpe vermutlich auch keine Strafminderungen erwarten dürfen. Was soll also der ganze Schwachsinn noch bewirken, ausser Verwirrung zu stiften?

  • Fein. Nun muss mir Konrad Litschko nur noch erklären, was das eine mit dem anderen zu tun hat.

     

    Ich meine: Können denn die Zeugen nicht vernommen werden, wenn Beate Zschäpe ihre Pflichtverteidiger austauscht und im Anschluss "etwas" aussagt?

     

    Ich meine: Wenn eine Frau, die weiß, wozu ihre früheren Spießgenossen fähig sind (und wozu der Staat ganz offensichtlich völlig unfähig) ist, keine Interna über Dritte ausplaudert, könnte ich das nachvollziehen. Dass allerdings externe Zeugen alles wissen, was Beate Zschäpe über das "Innenleben" des NSU weiß, ist (aus den selben Gründen) auch nicht viel wahrscheinlicher. Womöglich also würde es der Wahrheitsfindung am allermeisten dienen, wenn man sowohl die einen als auch die anderen reden lässt – und dann selbst kluge Schlüsse zieht. Aber dazu sieht sich die Staatsanwaltschaft ja wohl außerstande. Sie kann ganz offensichtlich bloß vollumfängliche Geständnisse und riskante Fremdbezichtigungen gebrauchen. Wäre sie also mit der hochnotpeinlichen Befragung a la mittelalterliche Inquisition nicht am allerbesten bedient?

  • Hätte hätte Fahrradkette!

    Es könnte aber auch sein, das Frau Zschäpe etwas aussagen möchte, was dem internationalen Ansehen Deutschlands schadet.

    Mein unbegrenztes Vertrauen in die weltweit geachtete und vorbildliche Gerichtsbarkeit des bayerischen "Freistaat Bayern" ist unerschütterlich.

    Prozessbeispiele: Uli Hoeneß, Gustl Mollath, Foremel1 Bernie usw.

    • @schratzl:

      Ja, das ist auch mein Gefühl - mag es eine "Verschwörungstheorie" sein, egal: Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben einen Deal ausgemacht, daß Frau Zschäpe nichts sagt, und aus wohldosiert präsentierten Indizien und Beweisen machen wir einen "Einzeltäter/Kleingrüppchen"-Prozeß ohne ernsthafte Beschädigung der Staatlichkeiten und der Geheimdienste mit einem hinreichend milden Urteil. Wenn Frau Zschäpe entgegen dem Deal auspackt, droht eventuell eine politische Dimension, die wir noch gar nicht ahnen... Soweit meine Verschwörungstheorie, aber Oktoberfestattentat & Co lassen grüßen. Wirklich wundern würde mich momentan gar nichts....

  • Der gehängte Puppentorso mit der Aufschrift Jude, würde einem deutschen Richter kaum zum Vorwurf des Antisemitismus ausreichen, wie wir ja schon erlebt haben. Und wie das die "Hauptangeklagte" (wer ist noch angeklagt?) in Bezug auf Anschläge auf Muslime belasten könnte, erschließt sich mir nicht.