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Kommentar Zerwürfnis im Front NationalMélenchon, der lachende Dritte

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Parteiintern ist die Aufregung im Front National groß, weil der Vizechef im Couscous-Lokal isst. Sein Parteiaustritt gehört zu einer größeren Krise.

Die Front-National-Vorsitzende Marine le Pen mit Noch-Vizechef Florian Phillippot Foto: dpa

D ie Krise im rechtsextremen Front National beobachten viele mit Schadenfreude. Eine Partei, in der sich die Leute mit fremdenfeindlicher Allergie über einen Chef aufregen, weil er in einem Couscous-Lokal aß, ist definitiv unfähig zu regieren. Der Austritt des bisherigen Vizepräsidenten, Florian Philippot, hat somit nur ein Schlaglicht auf das seit Wochen anhaltende heftige Gezänk geworfen.

Es ist gut, dass der Teil der FN-Wählerschaft, der sich in vielleicht naiver Weise von der Kampagne zur „Entdia­bolisierung“ des FN einwickeln ließ, jetzt die alte Fratze der extremen Rechten entdeckt, die unter dem von Marine Le Pen angestrebten „salonfähigen“ Image zum Vorschein kommt. Solche internen, zum Teil sogar brutalen Abrechnungen gab es übrigens bei den Erben des Faschismus in Frankreich immer wieder.

Heute wird Philippot von seinen Rivalen im FN beschuldigt, er scheue die Kontroverse. Dabei verdeutlichen seine Entmachtung und die polemischen Anfeindungen nur, dass die demokratische Debatte noch nie ein Markenzeichen dieses politischen Lagers gewesen ist. Freuen wird sich darüber der alte Jean-Marie Le Pen, der selbst auch ausgeschlossen worden ist. Er verkörpert immer noch den FN, der sich nicht scheut, zum Rassismus und zur reaktionären kolonialistischen Nostalgie zu stehen.

Bei Philippots Gegnern bedanken kann sich aber auch die Gegenseite, also der Linke Jean-Luc Mélenchon. Seine Bewegung, La France insoumise, hat in der französischen Politik als Opposition heute kaum Konkurrenz, und schon gar nicht von ganz rechts. Die von internen Problemen absorbierte Marine Le Pen ist praktisch unhörbar geworden.

Mélenchon, der es im Unterschied zu ihr nicht ins Finale der Präsidentschaftswahlen geschafft hatte, bekommt seine Revanche. Er führt jetzt fast solo als Gegner von Präsident Emmanuel Macron den politischen Widerstand gegen die liberalen Arbeitsrechtsreformen an.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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12 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Philippots Ausscheiden lag ja schon lange in der Luft. Der nationalbolschewistische Gaullist hat hoch gepokert und verloren. Es ist ihm nicht gelungen Frankreichs Arbeiterschaft für den FN zu mobilisieren. Es haben zwar viele für Marine Le Pen gestimmt, aber die meisten sind zu Hause geblieben und Mélenchon hat auch viele Stimmen angezogen, die sonst MLP gewählt hätten. Desweiteren haben einige Nationalkatholiken für Fillon gestimmt, weil sie von der nationalbolschewistischen Linie à la Alain de Besnoit abgeschreckt wurden. Die sollen jetzt wieder zurückgewonnen werden. Aber damit kann man keine Mehrheit erreichen. Der FN wird sich wohl wieder mehr denn je politisch isolieren und das 20% Ghetto nicht mehr überschreiten. Eine gute Nachricht für die Demokratie.

     

    Hat Macron dies bewirkt?

    Nein, denn Marine Le Pen hat sich selbst ein Bein gestellt, indem sie dem selbsternannten Jupiter die Initiative beim Fernsehduell überlassen hat. Und es ist ihr nicht mehr gelungen, ihre Truppen für die Parlamentswahlen zu mobilisieren, um wenigstens eine Fraktion im Parlament zu bekommen. Die einzige Möglichkeit als Opposition zu existieren.

    Macron hat also jetzt nur noch die France Insoumise als Totalopposition gegen sich und sein ultraliberales Programm.

     

    Die überwiegend jungen Abgeordenten der FI haben bei den Parlamentsdebatten gezeigt, dass sie überaus kompetent sind. Es gibt also eine Zukunft für eine alternative sozialökologische Linke in Frankreich auch ohne und nach Mélenchon.

    Und das ist eine weitere gute Nachricht für die Demokratie.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Der "nationalbolschewistische Gaullist", richtig muss es heissen: Der bis vor drei Tagen zweite Vorsitzende der Faschisten Frankreichs, war Verfechter einer harten antieuropäischen Linie mit dem erklärten Ziel des Ausstiegs aus der Eurozone. Er versuchte als erklärter Chefideologe den FN als Sammelbecken der Euroskeptiker zu etablieren. Das Scheitern dieser Strategie ist hauptverantwortlich für die Wahlniederlage von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen und damit für seinen Rauswurf.

      (Und natürlich seine fremdländisch anmutenden Essgewohnheitten).

       

      Anti-EU mag vereinzelte Rassisten, Wutbürger und andere Leute mit schlechter Laune hinterm Ofen hervozuholen. Die überdeutliche Mehrheit der Franzosen ist an echten Reformen und Programmen interessiert. Zum Glück.

      Und genau deshalb hat der Möchtegern-Volkstribun Jean-Luc eben auch keine Chance gehabt.

       

      Philippot ist kein Farage und die Oberfaschistin ist im Duell gegen Macron thematisch, taktisch und argumentativ untergegangen.

  • Gibt es in Frankreich noch eine ernst zu nehmende Opposition? Objektive Berichterstattung war jedenfalls noch nie die Stärke von Herrn Balmer.

     

    Neben Herrn Macron und dessen Bewegung gibt es doch nur noch die Geister von rechts- und linksaußen. Ein echtes politisches Spektrum ist das doch kaum noch.

     

    Das außerparlamentarische Spektakel der Gewerkschaften kann auch niemand mehr richtig ernst nehmen.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Ist doch schön, dass sich die Faschisten so zerstreiten. Der Alte grollt, seine Eneklein hat sich vom Acker gemacht, die Tochter kämpft auf halbwegs verlorenem Posten und dem ehemals angeblich "Vordenker" bleibt maghrebinisches Essen im Halse stecken.

    Frohlocken kann allerdings vor allem Macron, der die haselnussbraune Schabracke quasi im Alleingang zerlegt hat mit einem dezidiert proeuropäischem Programm.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Nette Schimpfwörter.

       

      Sie verdecken aber nicht, dass Macron Präsident wurde, weil er nicht Le Pen ist. Nicht wegen seines "pro europäischen" Programms. Und es ist schon traurig, dass Frankreich Le Pen nichts Besseres entgegen zu stellen hatte.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Es gab elf Kandidaten, das scheinen Sie zu vergessen.

         

        Es ist sicherlich nicht Macrons Schuld, daß ein korrupter Schlossbesitzer auf verlorenem Posten unbedingt an sich festhielt oder daß die Sozialisten derartig abgewirtschaftet hatten, dass sie kein Bein mehr auf die Erde bekamen.

        Der Pro-EU-Kurs war allerdings Macrons Alleinstellungsmerkmal und hat ganz wesentlich zu seiner Wahl geführt.

        (Das zeigt nicht zuletzt der hektische Versuch einer Kurskorrektur bei den Faschisten kurz vorm zweiten Wahlgang, als ein sofortiger Austritt aus der EU nun nicht mehr als unabdingbar bezeichnet wurde).

         

        Mutig war ein solcher Kurs allemal.

         

        Keiner der anderen Kandidaten, auch der Möchtegern-Volkstribung Jean-Luc nicht, traute sich auf die nationalistische Karte zu verzichten, einschliesslich Deutschland-Bashing, Weltuntergangsszenarien und rassistischen Ausfällen.

         

        Und hätten Sie die TV-Diuelle gesehen, wüssten Sie, warum man bei den Faschisten so sauer war: Die Oberfaschistin hat ganz schlecht ausgesehen gegen Macron.

        Weswegen ihre Nichte sich ja schnell vom Acker gemacht hat und der Laden nun auseinanderzufallen droht.

         

        Was bleibt: Faschisten wie Linkspopulisten kann begegnet werden, mutig, ehrlich, unaufgeregt.

        • @60440 (Profil gelöscht):

          Es ist ja durchaus gut, dass Macron sich zu Europa bekennt. Ob es Mut erfordert, bezweifle ich. Auch, dass es entscheidend zum Sieg beigetragen hat. Er war einfach zum Schluss übrig und die Mehrheit der Franzosen wolle (noch) nicht rechts abbiegen.

           

          Es ist ja auch löblich, dass er erkannt hat, dass die EU reformiert werden muss. Da ist er viel weiter als Mutti. Allerdings sind seine Vorschläge unsinnig. Oder meinen Sie wirklich, man kann den Kompetenzdschungel und die ausufernde Bürokratie durch die Schaffung neuer Posten bekämpfen? Oder die Einheit stärken, indem man ein zweites Parlament für einen Teil der Mitglieder einführt? Dazu kommt, dass er, typisch Bänker, hauptsächlich von der Geldseite an alles heran geht. Das Hauptproblem in der EU sind aber die enormen Unterschiede in der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedsländer zu suchen. Eine Reform muss viel, viel breiter ansetzen. Und sie muss schnell kommen, sonst scheitert die EU. Macron ist beim Kampf gegen das Scheitern langfristig keine große Hilfe. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht.

          • 6G
            60440 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Im Erkennen historisch anmutender Phänomene oder Entwiclungen sind Sie nicht besonders stark oder ?

            • @60440 (Profil gelöscht):

              Es geht nicht um einfach Phänomene, sondern um ganz konkrete Tatsachen und Entwicklungen, die Ursachen haben, die man analysieren muss. Aber Sie haben ja schon an anderer Stelle gesagt, dass Ihnen solch ein Vorgehen zu mühsam ist.

               

              PS: Wer mich kennt weiß, dass ich ein sehr umfangreiches historisches Wissen habe, das sich auf vielseitige Studien stützt.

  • " Seine Bewegung, La France insoumise, hat in der französischen Politik als Opposition heute kaum Konkurrenz..."

     

    Ist Frankreich schon so weit gleichgeschaltet? Schade.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Gleichgeschaltet" stammt aus dem Wörterbuch der NS-Zeit - macht sich jetzt Gauleiter-Deutsch in der taz-Kommentarseite breit?!

      • @Philippe Ressing:

        Ganz ruhig. :-)

         

        Der Begriff ist weiter verbreitet. Es ist aber immer beunruhigend, wenn es in einer Demokratie an Opposition mangelt...