Kommentar Wohnraum in Deutschland: Bezahlbare Mieten – statt Rendite
Es braucht ein Umdenken bei Wohnungsbau und Bodenrecht. Aber der Staat fördert weiterhin Luxusquartiere und Immobilienspekulation.
D ie Mieten in der Bundesrepublik werden immer teurer. In München und in den meisten Großstädten müssen bei Neuvermietungen im Bestand inzwischen 14 bis 15 Euro Nettokaltmiete bezahlt werden. Beim Erstbezug im Neubau kostet die Nettokaltmiete gar 16 Euro und mehr.
Dazu kommen noch die Betriebs- oder Nebenkosten, die zum Beispiel in München bei durchschnittlich 1,60 Euro pro Quadratmeter liegen. Die Miete für eine 80-qm-Wohnung kostet so etwa 1.200 bis 1.400 Euro – ohne Heizungs- und Stromkosten. Normalverdienende Familien müssen inzwischen ein Drittel oder die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben.
Parteien, die die derzeitigen investorenfreundlichen Mietgesetze beschlossen haben, versprechen plötzlich die Einführung von „Mietpreisbremsen“. Grundlegende Änderungen, die der Wohnungs- und Grundstücksspekulation einen Riegel vorschieben würden, sind von ihnen allerdings nicht zu erwarten.
Private Investoren bauen Wohnungen nur dann, wenn sie für ihr investiertes Kapital mindestens die marktübliche Rendite erzielen. Ohne Aussicht auf Rendite werden auch keine Wohnungen gebaut. Der kapitalistische Wohnungsmarkt versorgt deshalb ausschließlich die Besserverdienenden, aber nicht diejenigen mit durchschnittlichen oder niedrigen Einkommen.
Jahrgang 1938, ist Mitarbeiter des isw - Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e. V., München; Autor des Buches „Das Geschäft mit der Wohnung - Bodenspekulation und Stadtentwicklung im Kapitaismus“, Neuer ISP-Verlag, Köln 1998. Schreer ist Aktivist in der Antikriegsbewegung.
Die Wurzel des Übels
Aus diesem Grund sieht sich der Staat seit jeher dazu gezwungen, mit mietpreisregulierenden Maßnahmen einzugreifen. Die derzeitigen Mietgesetze verhindern jedoch bestenfalls einen Teil der Wuchermieten, garantieren aber in erster Linie den Renditeanspruch der Eigentümer.
Das Hauptinstrument, die teuren Mieten erträglicher zu machen, ist seit Jahrzehnten das Wohngeld, eine staatliche Subvention, die die Mieten nicht senkt, sondern weitere Mietpreissteigerungen ermöglicht. Die steigenden Mieten haben wiederum immer höhere Wohngeldzahlungen und höhere Ausgaben für die Übernahme der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger und für die soziale Grundsicherung zur Folge.
Dafür wird heute bereits die astronomische Summe von 17 Milliarden Euro ausgegeben. Diese Milliarden fließen in die Taschen derjenigen, die das Problem verursacht haben – an die privaten Hauseigentümer und Immobilienspekulanten.
Ständig steigende Mieten sind kein Naturgesetz. Sie sind das Ergebnis des Anspruchs der Haus- und Wohnungseigentümer auf ständig steigende Renditen. Bei Neubauwohnungen führt bereits eine Rendite bzw. Verzinsung von 5 Prozent auf das investierte Kapital (für Baukosten von 1.500 Euro und Grundstückskosten von 700 Euro pro qm) zu einer Mietbelastung von 9,20 Euro pro qm monatlich.
Mietstopp und Begrenzung der Mietpreise
Tatsächlich sind die Nettokaltmieten – also ohne Betriebs- oder Nebenkosten – beim Erstbezug in München und anderen Großstädten noch wesentlich höher. Die Rendite ist also der preistreibende Faktor bei den Mieten. Ohne diesen Profitanteil könnten alle Mieten auf etwa die Hälfte oder ein Drittel der heutigen Mietpreise gesenkt werden.
Dreh- und Angelpunkt einer sozialen Wohnungspolitik ist deshalb die Begrenzung der Mieten direkt an der Quelle und als erster Schritt die Verhinderung weiterer Mieterhöhungen durch einen gesetzlichen Mietpreisstopp, auch bei Neuvermietungen.
Im zweiten Schritt müssten alle Mieten auf die tatsächlichen Kosten begrenzt werden. Damit wäre auch der Umwandlungsspekulation quasi der Boden entzogen. Zudem: Wenn die Mieten nicht weiter steigen, entfällt auch eine der Triebfedern für immer höhere Grundstückspreise.
Der bis heute in der Bundesrepublik praktizierte Soziale Wohnungsbau hat weder zu dauerhaft preiswerten Sozialmieten geführt noch dazu, dass die mit hohen staatlichen Subventionen entstandenen Wohnungen als mietpreisgebundener Bestand erhalten geblieben sind.
Sozialer Wohnungsbau, der den Namen verdient
Von den ehemals mehr als 6 Millionen Sozialwohnungen sind nach dem Wegfall der Mietpreisbindungen und dem massenhaften Verkauf kommunaler Wohnungsbestände nur noch rund 1,6 Millionen mietpreisgebundene Wohnungen übrig geblieben. Von den politisch Verantwortlichen war das von Anfang an so vorgesehen.
Die oft gut gemeinte Forderung, das bis heute praktizierte Modell der „sozialen“ Wohnungsbauförderung wiederzubeleben, etwa durch Zuweisung höherer staatlicher Mittel, macht dabei wenig Sinn, denn dieses Modell hat seine Untauglichkeit hinreichend bewiesen.
Einen wirklichen sozialen Wohnungsbau, der mit der Garantie dauerhaft preiswerter Mieten einhergeht, kann es überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben. Das heißt, dass dieser soziale Wohnungsbau vollständig aus staatlichen Mitteln finanziert und ausschließlich mit gemeinnützigen oder genossenschaftlichen Trägern verwirklicht werden muss.
Die Behauptung, dass die dafür notwendigen umfangreichen öffentlichen Gelder nicht vorhanden sind, dass Wohnungsbau nur über den privaten Kapitalmarkt finanziert werden kann, ist uralt, aber ein Märchen.
Luxusimmobilien werden von Staat mitfinanziert
Denn seit jeher wird auch der sogenannte freifinanzierte Wohnungsbau, einschließlich aller Luxusimmobilien, Zweit- und Drittwohnungen, vom Staat großzügig mitfinanziert. Die staatlichen Steuersubventionen für private Eigentümer und die großen Wohnungsunternehmen sind häufig sogar wesentlich höher als die tatsächlichen Herstellungskosten. Die Mieter haben davon nichts.
Genaue Berechnungen ergeben, dass der Staat im Laufe der Jahre mit Steuerfreibeträgen und Abschreibungen die ursprünglichen Baukosten doppelt oder dreifach finanziert.
Nehmen wir einmal an, der Staat hätte – wie in den 1950er Jahren – weiterhin jährlich rund 300.000 Wohnungen errichtet und keine dieser Wohnungen hätte ihre Sozialbindung „verloren“, dann gäbe es heute allein in den westlichen Bundesländern mehr als 20 Millionen Sozialwohnungen. Aus den Mieteinnahmen dieser Wohnungen könnten – 1 Euro pro qm würde genügen – jährlich mindestens 20 Milliarden Euro in einen staatlichen Wohnungsfonds fließen.
Häufig werden in der politischen Auseinandersetzung die hohen Grundstückspreise für die Mietpreisexplosion verantwortlich gemacht, auch Wohnungsbauunternehmen rechtfertigen damit ihre teuren Mieten. In Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt. Die Rendite, die auf bestimmten Grundstücksflächen erzielt werden kann, entscheidet darüber, wie hoch der Bodenpreis ist. Denn Grund und Boden an sich hat keinerlei Wert.
Grund und Boden gehören in öffentliches Eigentum
Der Wert eines Grundstücks ergibt sich erst aus seiner Nutzung, aus seiner besonderen Lage, den Möglichkeiten seiner Verwertung und aus seiner Monopolstellung in den Ballungsgebieten, wo Grundstücke besonders knapp sind. Je höher die Rendite ist, die auf einem Stück Land erzielt werden kann, desto höher ist auch sein Preis.
Die Grundstückspreise steigen natürlich, wenn hohe Mietsteigerungen zu erwarten sind oder wenn durch städtische Planungen eine profitablere Nutzung ermöglicht wird. Der Kaufpreis, der für ein Grundstück bezahlt werden muss, ist also nicht der Preis für den Boden, sondern der Kauf der Rendite, die auf dem betreffenden Grundstück erzielt werden kann.
Auf teuren Grundstücken, die für Kommunen oder gemeinnützige Genossenschaften unbezahlbar sind, kann natürlich auch kein Wohnungsbau mit sozialen Mieten entstehen. Ohne grundlegende Änderung des Bodenrechts ist deshalb eine soziale Wohnungspolitik gar nicht möglich.
Grund und Boden müssen deshalb der ausschließlich an Rendite orientierten privaten Verfügungsgewalt entzogen und in demokratisch kontrolliertes gesellschaftliches Eigentum überführt werden.
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