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Kommentar WeihnachtsanspracheAuch für Atheisten

Kommentar von Martin Reeh

Der Bundespräsident soll zu Weihnachten keine großen Fässer aufmachen. Über Religionsgrenzen hinweg Verbindendes aber kann er vermitteln.

Der Bundespräsident zur Weihnachtsansprache Foto: dpa

D ie Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten ist dem „Wort zum Sonntag“ artverwandt und ein traditionell schwieriges Genre. Niemand will an diesem Tag zwischen Geschenken, Gans und Familienstreit verstört, niemand mit allzu tief greifenden Gedanken behelligt werden. Sie taugt kaum für große Innovationen und kann wenig bewirken. Sie kann aber Atheisten und Angehörigen anderer Religionen das Gefühl geben, der Bundespräsident als oberster Repräsentant des Staates sei nicht für sie da.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der in diesem Jahr seine erste Weihnachtsansprache hielt, hat sich in diesem Punkt deutlich von seinem Vorgänger Joachim Gauck abgesetzt und ausdrücklich auch denen frohe Weihnachten gewünscht, die keiner oder einer anderen Religion angehören. Dass Atheisten auch am hohen christlichen Feiertag berücksichtigt werden, ist wichtig. Denn nicht nur der Islam gehört zu Deutschland, sondern auch der Unglaube. In den neuen Bundesländern und Hamburg gehört eine Mehrheit keiner christlichen Kirche mehr an.

Steinmeier setzte ansonsten die Tradition fort, die schon seine Vorgänger eingeführt haben: Er sprach – im Gegensatz zur Kanzlerin – stehend und ohne Pult, was eine besondere Bürgernähe suggerieren soll. Auf einen leicht pastoralen Ton verzichten mochte er nicht, was die üblichen Beschönigungen politischer Brüche mit sich brachte. Am Mauerfall zeige sich, wie lohnend es gewesen sei, „diesem einzigartigen Moment ohne Furcht zu begegnen“, sagte der Bundespräsident. Dabei könnte Steinmeier aus seinem früheren ostdeutschen Wahlkreis wissen, wie ambivalent dieser Moment war: ein Aufbruch – und der Beginn flächendeckender Arbeitslosigkeit.

Und warum muss Steinmeier eigentlich Weihnachtsgrüße von seiner Frau ausrichten? Auf den Moment, dass ein allein lebender und atheistischer Bundespräsident die Weihnachtsansprache hält, müssen wir noch ein wenig länger warten.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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18 Kommentare

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  • "Dass Atheisten auch am hohen christlichen Feiertag berücksichtigt werden, ist wichtig."

    Naja, Atheist_innen würden berücksichtigt, wenn ein_e Bundespräsident_in KEINE Weihnachtsansprache hält. Das wäre säkulär, entspräche also dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche. Christ_innen können sich eine Weihnachtsansprache ja in Kirchen von ihren Religionsvorsteher_innen anhören.

    • @Uranus:

      Das wäre unkultiviert. Säkular ist das Christentum doch längst. Allerdings war diese Ansprache schlicht langweilig.

      • @Monika Frommel :

        Mir geht es um die Trennung von Kirche und Staat - und die ist in Deutschland nicht (konsequent umgesetzt) - Kirchensteuer, Gottesbezug in Eiden, Kreuze in öffentlichen Gebäuden usw. Vielleicht hätte es laizistisch besser getroffen.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Monika Frommel :

        ..."unkultiviert"?

        Was hat eine Weihnachtsansprache mit Kultur zu tun?

    • @Uranus:

      Ha Ha! verraten. Atheist glaubt an den einen von alllen Atheist_innen wollenden Willen.

       

      Der reine Wille! Das grosse gemeinsame Gehirngedönsgefussele.

       

      Bauknecht: der Gott der Atheist_innen; Bauknecht weiss, was Atheist_innen wünschen!

      • @Rudolf Fissner:

        Ja wie? - Bauknecht - Bauknecht?!

         

        Ich höre immer nur Bauknecht!

        AEG - Isses dich doch - Alter!

        ALLES EIN GAMMEL - oder -

        ANKOMMEN EINSCHLAFEN GEHEN.

        Paschd scho - musse gar nich ers'n

        Faß aufmachen - woll!

         

        kurz - Erwisch - Derwisch - A…wisch!

        Gehirngedönsgefussele - oder die Linde rauscht - kerr!

  • "Dass Atheisten auch am hohen christlichen Feiertag berücksichtigt werden, ist wichtig. Denn nicht nur der Islam gehört zu Deutschland, sondern auch der Unglaube."

     

    Ok ok ... gehören natürlich zu Deutschland.

     

    Aber wieso sollte Weihnachten zu Deutschland gehören? Gehört doch der Welt!

     

    Inmho is das "gehört zu Deutschland" für diesen Feiertag ein nationale Verengung dieses Feiertages.

    • @Rudolf Fissner:

      ... gehören zu Deutschland - ich habe immer ein Problem damit, wenn nur bestimmte Religionen oder Ideologien hier genannt werden. Wer meint, diese gehören zu Deutschland, sollte immer auch mindestens noch Buddhismus, Hinduismus, Shintoismus erwähnen.

       

      Aber Sie haben Recht, dass es eine Verengung ist und das im Fall Weihnachten eigentlich gar nicht Thema sein sollte.

  • Der Bundespräsident hält öfters Ansprachen, die nur einen Teil der Bevölkerung betreffen, zuletzt z.B. bei der Eröffnung der Kunsthalle Mannheim oder beim jüdischen Hanukkah-Fest in der israelischen Botschaft.

     

    Wo liegt das Problem?

  • Herr Reeh, Sie mussten Gaucks Ansprachen nicht möglich, aber was Sie ihm her nachtreterisch vorwerfen, ist haltlos.

    Unerträglich finde ich aber, wie Sie die Bedeutung des Mauerfalls durch Hinweis auf danach entstandene Probleme als ambivalent darstellen und damit den epochalen Umbruch kleinreden. Die Probleme waren und sind da, manche sind auch schlimm und entstanden auf Grund von Fehlern der Politik, gewiss, aber nur die allerwenigsten würden doch wohl den Mauerfall rückgängig machen wollen. Nach einem kurzem Blick in ihre Biographie beschleicht mich der Verdacht, dass Sie zu dieser ostalgischen Minderheit gehören könnten.

    Und das Erwähnen von Anders- und Nichtgläubigen ist so weltbewegend nun auch wieder nicht.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Paul Schmitt:

      ...wieso findet in der Rede des Bundespräsidenten der sog. Mauerfall überhaupt eine Erwähnung?

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Weil er in einer gespaltenen bzw. zerfallenden Gesellschaft die Leute mit besonders "einenden" Momenten nationaler Geschichte bauchpinseln möchte (die Weltmeistertitel vergaß er wohl).

        Ist mir aber immer noch sympathischer, als wenn diese identitätsstiftenden Erinnerungen aus irgendwelchen Schlachten oder Kriegen bestünden, wie es in vielen anderen Ländern der Fall ist.

    • @Paul Schmitt:

      Jau.

       

      Nicht möglich - aber haltlos.

      kurz - mußte auch Gauck nicht mögen.

      &

      Weltbewegend ist das aber auch nicht.

      Newahr.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        bizumendedesjahresingewohnterformundbesterlaunedaslobichmir

  • Diese Tage sind keine "Feiertage" für mich und mir ist es reichlich egal ob ich "berücksichtigt" werde oder nicht. Ich finde es wichtiger wenn dieser (Pseudo) Christenzauber weniger eine Rolle spielen würde.

    • @Struppi:

      Der erste Satz ist vernünftig, der zweite irrational. Viele Grüße, Tim

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Schon als Kleinkind nicht verstanden, wie jemand in der Öffentlichkeit behaupten kann "das ist "meine"Frau". Oder "mein " Mann. Wie kann man sowas überhaupt aussprechen. Ist sowas nur durch Heirat legitimiert? Und die grosse Zahl der Atheisten hat bestimmt auch schon als Schulkind kapiert, dass der potlangweilige Relliuntericht auch nicht so das Wahre ist. Also eher wie Geschichtsunterricht. Aber nicht als Erklärung für ..das soll man jetzt glauben....taugt. Mag sein, dass die Kinder anderer Glaubensrichtungen(Sekten, Zeugen Jehhovas., Judentum., Islam.., Buddhismus.., oder Glaube an Neptun, Zeus.., diese Pille eher schlucken. Oder an eine völlig neue, am Computer kreierte Religion?

  • Is halt kein Wunschkonzert - gell!

    &

    Einer aus OWL - biste da - willste weg!

    Nu. Da seien wir - doch nachsichtig!

    Bis zum nächsten Mal - wollnich!