Kommentar Wahlen in Jordanien: Sehr langsamer Frühling
Die Wahlen in Jordanien waren nicht frei. Den Unmut im Volk konnten sie nicht beruhigen. Reformen durch Gewalt zu erzwingen bleibt aber unpopulär.
J ordaniens König Abdullah wollte mit den vorgezogenen Parlamentswahlen den Unmut im Volk beruhigen. Erreicht hat er genau das Gegenteil. Gleich nach Bekanntgabe der Gewinner – vor allem Regierungstreue und Stammesvertreter – kam es zu neuen Unruhen. Deutlich unter 50 Prozent der Jordanier nahmen von ihrem Recht zur Stimmabgabe Gebrauch.
Aus Protest gegen Wahlfälschung hatten die Islamisten und kleinere Reformgruppen zum Boykott aufgerufen. So berechtigt ihr Protest sein mag, so kann über die Methode doch gestritten werden. Wer nicht zur Wahl erscheint, wird nicht erhört.
Noch hält die Monarchie an dem veralteten Wahlsystem fest, das die in Städten lebenden Palästinenser, die ihre Stimme eher der Opposition und vor allem den Islamisten geben würden, den Beduinen gegenüber deutlich benachteiligt. Das System der Wahlkreise, die unabhängig von ihrer Bevölkerungsgröße jeweils dieselbe Anzahl Abgeordneter stellen, garantiert, dass die Minderheit im Land die Mehrheit im Parlament bleibt.
Der König verspricht nun, dass weitere, überfällige Reformen folgen sollen. Immerhin wird der kommende Ministerpräsident zum ersten Mal vom Parlament bestimmt werden und nicht vom Monarchen der sich allerdings ein Mitspracherecht vorbehält. Der Arabische Frühling lässt in Jordanien lange auf sich warten. Das Volk zürnt, es will die Reformen, aber keine Gewalt.
ist Korrespondentin der taz in Jerusalem.
„Schwarzer September“ 1970
Das warnende Beispiel Syrien vor Augen hält die Bevölkerung still und schaut zu, wie täglich tausende Flüchtlinge ins Land strömen. Die Erinnerung an den „Schwarzen September“, dem jordanischen Bürgerkrieg 1970, als Abdullahs Vater König Hussein die Panzer in die palästinensischen Flüchtlingslager schickte, erstickt jeden Zweifel daran, dass auch die jordanische Führung mit Regimegegnern nicht zimperlich umgeht.
In Israel stoßen die Wahlen beim jordanischen Nachbarn nicht auf Widerhall. Stattdessen berichten die Zeitungen über die Unruhen zum Jahrestag der Revolution in Kairo. Solange der König in Amman fest auf seinem Thron sitzt, braucht man sich in Jerusalem nicht zu sorgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis