Kommentar Wahlchancen der SPD: Steinbrücks letzter Gig
Für die Sozialdemokraten bleibt nur noch die Logik der Konsequenz: Sie müssen „Rot-Grün“ propagieren, um sich in eine große Koalition zu retten.
D ie SPD hat verlauten lassen, dass sie eine große Koalition nicht ausschließen mag. Ist das klug? Oder richtig? Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl ist die SPD in einer derart ungemütlichen Lage, dass man fragen muss, ob die Sozialdemokraten überhaupt noch etwas richtig oder falsch machen können.
Rhetorisch hat sich die SPD auf Rot-Grün festgelegt. Peer Steinbrück an der Spitze sollte Mitte-Wähler akquirieren. Dass der Kanzlerkandidat markig verkündete, nicht in eine Merkel-Regierung einzutreten, sollte selbstbewusst wirken. Das tut es aber nicht.
Es verstärkt eher die Skepsis Steinbrück gegenüber, dessen Kandidatur so nach drei Jahren als Hinterbänkler wie eine Abschiedstournee aussieht: wie der letzte Gig eines Altrockers. Es war Steinbrück, der kurz vor der Wahl 2009 ausplauderte, die große Koalition sei eh die letzte Machtchance der SPD. Das macht sein „Alles oder nichts“ auch nicht überzeugender.
Die SPD ist machttaktisch in der gleichen paradoxen Lage wie 2009. Je näher die Wahl rückt, desto hohler klingen die Treueschwüre für Rot-Grün. Denn es ist offensichtlich, dass nicht Rot-Grün oder Schwarz-Gelb zur Wahl steht, sondern eine schwarz-gelbe Mehrheit oder eine große Koalition. Das aber darf die SPD nicht sagen.
Wenn die SPD es selbst zum Ziel erklärt, Merkels Juniorpartner zu werden, verhindert sie damit, dass es für sie zur großen Koalition reicht. Das ist die Aporie. Denn mit Merkel vor dem 22. September zu kokettieren, führt zielsicher dazu, dass eineinhalb Millionen SPD-Anhänger tun, was sie 2009 taten: nicht zur Wahl gehen. Deshalb wird die SPD bei der Rhetorik „Alles auf Rot-Grün“ bleiben, mag der Lagerwahlkampf nur noch schüttere Fassade sein. Denn alles andere macht die Niederlage noch wahrscheinlicher. Richtig oder falsch? Für die SPD gibt es nur noch die gusseiserne Logik der Konsequenz.
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