Kommentar Wahl in Argentinien: Die Chance, sich neu aufzustellen
Nach zwölf Jahren ist der „kirchnerismo“ abgewählt. Die Linke muss es jetzt schaffen, den wachstumsfixierten Mainstream zu durchbrechen.
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D er Sieg von Mauricio Macri in Argentinien ist ein harter Schlag für die links-progressiven Regierungen in Lateinamerika.
Hatte Daniel Scioli, der Kandidat von Präsidentin Cristina Kirchner, sich im Wahlkampf von Evo Morales, Lula da Silva oder José „Pepe“ Mujica unterstützen lassen, so zeigte Sieger Macri gleich am Wahlabend, wohin mit ihm die Reise geht: Unter den Feiernden war die Ehefrau des inhaftierten venezolanischen Oppositionspolitikers Leopoldo López.
Die chavistische Regierung in Caracas hat also einen Verbündeten weniger. Nach zwölf Jahren ist der „kirchnerismo“ abgewählt. Die Angstkampagne des Peronisten Scioli, der vor der Rückkehr des Neoliberalismus warnte, überzeugte zu wenige ArgentinierInnen. Für allzu viele stand am Wahlsonntag das Kirchner-K nur noch für Konfrontation, Klientelismus und Korruption. Für die kampferprobte Staatschefin bleibt nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt vorerst nur der Rückzug in die patagonische Heimatprovinz Santa Cruz. Und sie hinterlässt eine gespaltene Gesellschaft. In absoluten Zahlen hat Macri nur 700.000 Stimmen mehr als Scioli.
Als Bürgermeister von Buenos Aires hat Macri bewiesen, dass er ein passabler Administrator ist. Aber auch er wird Argentinien nur mit Hilfe von Peronisten regieren können, die im Parlament immer noch die Mehrheit haben. Dabei kommt ihm der Opportunismus vormaliger Kirchner-Verbündeter zugute, etwa der des mächtigen Gewerkschaftsführers Hugo Moyano. Der hatte sich in Opposition zur Regierung immer als Gralshüter des wahren Peronismus inszeniert und könnte Macri bei den im neuen Jahr anstehenden Lohnverhandlungen unvermutete Zugeständnisse abringen.
Es ist also durchaus möglich, dass der künftige Sparkurs weniger dramatisch ausfällt, als es bei einem Sieg des Regierungskandidaten der Fall gewesen wäre.
In Sciolis Niederlage liegt für die Peronisten, aber auch für die fragmentierte argentinische Linke und die ökosozialen Bewegungen die Chance, sich neu aufzustellen. Es muss ihr gelingen, bislang vom wachstumsfixierten Mainstream ignorierte Themen wie die dramatischen gesundheitlichen, sozialen und umweltpolitischen Verwerfungen durch den Gensojaanbau, beim Fracking oder im Megabergbau endlich auf die politische Agenda zu setzen.
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