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Kommentar Wachstumspolitik in EuropaUmwelt kommt unter die Räder

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Alles für Wirtschaft und Wachstum, heißt die Devise der EU-Kommission. Umwelt- und Klimapolitik wurden zurückgestuft und zerstückelt.

Wirtschaft hat für ihn Priorität: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Bild: reuters

M an ahnte es schon, als die EU-Kommission im Herbst ihr Amt antrat. Alles für Wirtschaft und Wachstum, hieß die Devise von Jean-Claude Juncker. Umwelt- und Klimapolitik wurden zurückgestuft und zerstückelt; sie sind nun mehreren, einander rivalisierenden Kommissaren zugeordnet. Zudem bekam Junckers Vize Timmermans das Recht, angeblich wirtschaftsfeindliche EU-Gesetze zu stoppen.

Was das in der Praxis bedeutet, sehen wir nun am Beispiel Recycling: Die Umwelt kommt unter die Räder. Erst kloppte Timmermans den ehrgeizigen Vorschlag seiner Amtsvorgänger zur Kreislaufwirtschaft in die Tonne. Dann schob er das versprochene Ersatzgesetz auf die lange Bank. Drei Monate später weiß Umweltkommissar Karmenu Vella immer noch nicht zu sagen, wie die angekündigte „ehrgeizige“ Regelung aussehen soll.

Während die Kommission das umstrittene TTIP-Abkommen durchpeitscht und eine umfassende digitale Agenda aus der Taufe gehoben hat, steht sie beim Recycling auf der Bremse. Dabei verspricht die Kreislaufwirtschaft mehr Wachstum als TTIP und mehr Nachhaltigkeit als Big Data. Sie ist ein Modell der Zukunft, mit dem Europa wirklich einmal vorangehen könnte.

Nicht nur die mächtige Müllverbrennungs-Lobby hintertreibt die Pläne für eine Kreislaufwirtschaft. Auch die Bundesregierung hat bei diesem wichtigen Thema versagt. Weder hat sie für den Vorschlag der alten EU-Kommission gekämpft, noch macht sie nun Druck, damit schnell Ersatz kommt. Auch Berlin ist ungebremster Freihandel offenbar wichtiger als nachhaltiges Wirtschaften.

Hoffnung auf Besserung besteht derzeit kaum. Denn Junckers wirtschaftsnahe Agenda ist auch die Agenda der großen Koalition. Und genau wie in Brüssel ist auch in Berlin die Opposition schwach.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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7 Kommentare

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  • Die "Müllverbrennungs-Lobby" war doch für das Paket, nur mit weniger Müllkippen. http://www.cewep.eu/m_1344

  • "Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?" Diese Fragen hat Bert Brecht in der Dreigroschenoper gestellt. Schon in den frühen 30-ern des vergangenen Jahrhunderts. Inzwischen muss man außerdem noch fragen: Was ist schon der Bruch eines Gesetzes gegen das (Nicht-)Erlassen eines anderen?

  • Die Überschrift leitet in die Irre.

    Es müsste heißen:

    Die Umwelt nimmt den Mensch unter die Räder.

     

    Klimadaten sprechen eine eindeutige Sprache. Warum wird das mal nicht kommentiert. Will man aus politischer correctness die Umwelt nicht diskriminieren?

    • @Tom Farmer:

      Ökomystizistischer Quark.

       

      Davon abgesehen, die EU- ist letzlich die Lizenz unsere Umwelt rechtmäßig zu versauen, aber das war in diesem Konstrukt auch noch nie wirklich anders.

  • Immer deutlicher zeigt sich die Fratze des Großkapitals in der Politik. Die EU-Entscheidungen werden zu 99% für die Großkapitalisten gemacht und nur 1% für den Bürger. Keine Entscheidung der Brüsseler Kommission ist demokratisch legitimiert. Die Protagonisten in der entscheidenden Gremien haben sich über das Recht gestellt, sie sind immun, ihr Tun bleibt in jedem Falle straffrei. Die Führungsriegen aller entscheidenden Parteien vertreten nicht mehr die Bürger, sondern handeln bewusst gegen deren Interessen.

    Besonders makaber ist ,das die "Müllverbrennungslobby" vorwiegend aus kommunalen Unternehmen besteht (in DE).

    Die in DE gut ausgebaute Recyclingwirtschaft verursacht auch Kosten, Stichwort Grüner Punkt, Kosten die lt. TTIP Handelshemmnisse sind. Mal sehen wie lange es nach dem Abschluss von TTIP bis zur ersten Klage dauern.

    Das eine von Steuerdieb Juncker geleitete Kommission gegen die Interessen der Bürger handelt, das ist nicht verwunderlich.

    Das er alle Unterstützung von Kapo Schulz (SPD) bekommt ist leider auch schon Normalität geworden. Auch die SPD ist eine Partei des Großkapitals, wenngleich das noch nicht jede Ortsgruppe weiss.

  • Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft - ... das ist ("wäre" !) doch nur ("nur")

    v e r n ü n f t i g , also schlicht tödlich für das eh schon fehlende Wachstum . Das System liegt doch schon auf der Krankenstation , w e i l nicht genug Überflüssiges produziert und dieses nicht schnell genug weggeworfen wird .

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @APOKALYPTIKER:

      ... und ändern wird sich erst was, wenn der Patient verreckt ist. Bleibt einem nur, sich selbst nicht in diese Überflußmaschinerie hineinziehen zu lassen, also sein eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen.