Kommentar Wachstumspolitik in Europa: Umwelt kommt unter die Räder
Alles für Wirtschaft und Wachstum, heißt die Devise der EU-Kommission. Umwelt- und Klimapolitik wurden zurückgestuft und zerstückelt.
M an ahnte es schon, als die EU-Kommission im Herbst ihr Amt antrat. Alles für Wirtschaft und Wachstum, hieß die Devise von Jean-Claude Juncker. Umwelt- und Klimapolitik wurden zurückgestuft und zerstückelt; sie sind nun mehreren, einander rivalisierenden Kommissaren zugeordnet. Zudem bekam Junckers Vize Timmermans das Recht, angeblich wirtschaftsfeindliche EU-Gesetze zu stoppen.
Was das in der Praxis bedeutet, sehen wir nun am Beispiel Recycling: Die Umwelt kommt unter die Räder. Erst kloppte Timmermans den ehrgeizigen Vorschlag seiner Amtsvorgänger zur Kreislaufwirtschaft in die Tonne. Dann schob er das versprochene Ersatzgesetz auf die lange Bank. Drei Monate später weiß Umweltkommissar Karmenu Vella immer noch nicht zu sagen, wie die angekündigte „ehrgeizige“ Regelung aussehen soll.
Während die Kommission das umstrittene TTIP-Abkommen durchpeitscht und eine umfassende digitale Agenda aus der Taufe gehoben hat, steht sie beim Recycling auf der Bremse. Dabei verspricht die Kreislaufwirtschaft mehr Wachstum als TTIP und mehr Nachhaltigkeit als Big Data. Sie ist ein Modell der Zukunft, mit dem Europa wirklich einmal vorangehen könnte.
Nicht nur die mächtige Müllverbrennungs-Lobby hintertreibt die Pläne für eine Kreislaufwirtschaft. Auch die Bundesregierung hat bei diesem wichtigen Thema versagt. Weder hat sie für den Vorschlag der alten EU-Kommission gekämpft, noch macht sie nun Druck, damit schnell Ersatz kommt. Auch Berlin ist ungebremster Freihandel offenbar wichtiger als nachhaltiges Wirtschaften.
Hoffnung auf Besserung besteht derzeit kaum. Denn Junckers wirtschaftsnahe Agenda ist auch die Agenda der großen Koalition. Und genau wie in Brüssel ist auch in Berlin die Opposition schwach.
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