Kommentar Verschärfte Polizeigesetze: Im Rausch von Law and Order

Mit den verschärften Polizeigesetzen wollen sich die Landesregierungen gegen die AfD profilieren. Eine gefährliche Symbolpolitik.

Im Vordergrund stehen niedersächsische PolizistInnen, im Hintergrund demonstrieren BürgerInnen gegen das neue Polizeigesetz

Härter, schärfer, doller: die neuen Polizeigesetze Foto: dpa

Fast bundesweit feilen die Länder derzeit an ihren Polizeigesetzen. Und es gibt nur eine Richtung: härter, schärfer, doller. Handys sollen überwacht, Präventivgewahrsame verhängt, Videokameras ausgebaut, Handgranaten in den Polizeidienst integriert werden. Inzwischen zieht selbst die rot-rote Regierung in Brandenburg mit, das grün-schwarze Baden-Württemberg legte schon vor Monaten vor. Dabei ist längst ein Innehalten angebracht.

Die neuen Polizeigesetze stehen unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Terrorgefahr, vor allem des Anschlags von Anis Amri in Berlin mit zwölf Toten Ende 2016. Man dürfe nicht blind sein, wenn Terroristen ihre Attentate planten, beschwören die Sicherheitsbehörden seitdem. Aber gerade der Fall Amri zeigt: Das Versagen lag hier nicht am leeren Werkzeugkasten der Ermittler. Diese hatten sehr früh Informationen über Amri, kannten seine Gefährlichkeit – und schätzten ihn am Ende schlicht falsch ein.

Die Landespolitiker hält das indes nicht davon ab, nun das ganz große Rad zu drehen. Fast wie im Rausch wird nun durchgesetzt, wovon Law-and-Order-Politiker seit Jahren träumen. Selbst Polizeigewerkschaftern geht einiges davon inzwischen zu weit: Das Ziel einer bürgernahen Polizei gerate in Gefahr, vielmehr werde Misstrauen in den Staat geschürt.

Viele der Verschärfungen dürften indes noch einen ganz anderen Fokus haben als die Terrorabwehr: einen innenpolitischen. Sie dienen den CDU-, CSU- oder SPD-Innenministern als Profilierung, auch gegen eine rechtspopulistische AfD, die alles noch härter will. Es ist Symbolpolitik auf einem mehr als heiklen Terrain.

Eines Rechtsstaats unwürdig

Denn es geht hier längst um einen Paradigmenwechsel: hin zum präventiven Polizeihandeln, längst nicht mehr nur im Falle eines Terrorverdachts. Die neuen Befugnisse wechseln immer mehr von einer Verfolgung von Straftaten hin in einen Bereich der bloßen Annahme, es könnte demnächst zu Straftaten kommen. Aus einer reinen Vermutung heraus aber Haft zu verhängen – in Bayern sogar mit unbegrenzter Höchstdauer –, ist ein rechtsstaatlicher Skandal.

Viele der neuen Gesetze sind noch dazu mehr als vage formuliert. Der Polizei bietet das am Ende ein Maximum an Handlungsspielraum – und den Bürgern ein Maximum an Unsicherheit, ab wann sie künftig ins Visier des Sicherheitsapparats geraten. Auch dies ist eines Rechtsstaats unwürdig.

Erst jetzt, nachdem einiges in Gesetzesform gegossen ist, rücken Demonstranten wieder die Bürgerrechte in den Fokus. Mit aller Berechtigung. Denn es bleibt dabei: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Auch nicht mit einem entfesselten Polizeiapparat.

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Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).

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