Kommentar Vermögensabgabe: Der Wahnsinn hat einen Namen: SPD

Niemand weiß, wie reich die Reichsten wirklich sind. Dass ihre Steuersätze so grotesk niedrig sind, ist nicht zuletzt die Verantwortung von SPD und Grünen.

Niemand kann sagen, wie reich die Reichen in Deutschland wirklich sind. Man weiß zwar, dass das Privatvermögen der Deutschen mehr als 8 Billionen Euro beträgt. Das kann die Bundesbank noch ausrechnen. Aber wer sie hat? Große Sendepause. Denn eine Vermögenssteuer gibt es in Deutschland ja nicht – und also auch keine Vollerhebung.

Stattdessen behilft man sich mit punktuellen Haushaltsbefragungen, von denen noch nicht einmal das Statistische Bundesamt behauptet, dass sie repräsentativ seien. Denn die reichsten Haushalte werden nicht befragt und nicht erfasst. Weil sie nicht wahrheitsgemäß Auskunft geben würden, wie sich das Bundesamt vornehm ausdrückt. Hart übersetzt: Die Reichen lügen – und deswegen werden sie nicht befragt. Was wiederum dazu führt, dass Billionen aus der Statistik verschwinden. Nicht Milliarden, Billionen.

Es gibt nur Anhaltspunkte, und sie sind erschreckend: Die reichsten 10 Prozent der Deutschen dürften über zwei Drittel des Volksvermögens verfügen. Mindestens. Denn dies ist eine konservative Schätzung. Wahrscheinlich ist es noch krasser.

Für die Vermögenden ist es praktisch, dass niemand weiß, wie reich sie wirklich sind. Mühelos können sie sich armrechnen und damit jede zusätzliche Belastung abwehren. Mit diesem Trick waren sie überaus erfolgreich: Die Dauerklage hat dazu geführt, dass der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt wurde, dass milliardenschwere Familienunternehmen faktisch steuerfrei vererbt werden können – und dass Kapitalerträge nur noch mit 25 Prozent belastet werden, während viele Arbeitnehmer deutlich höhere Sätze zahlen.

Dieser Wahnsinn hat übrigens einen Namen: SPD. Es ist erfreulich, dass der jetzige Chef Sigmar Gabriel sich dem Bündnis „Umfairteilen“ annähert und den Spitzensteuersatz wieder auf immerhin 49 Prozent anheben will. Leider vergisst er dabei zu erwähnen, dass es seine Partei war, die diese Korrektur überhaupt erst nötig macht. Auch die Grünen neigen nicht zur Selbstkritik.

SPD und Grüne tun noch immer so, als sei es ein bedauerlicher Zufall, dass ausgerechnet seit dem Jahr 2000 Reichtum und Armut in Deutschland so stark auseinanderdriften. Aber es war kein Zufall, dass die Mittelschicht schrumpft. Es war auch ihre Politik.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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