piwik no script img

Kommentar Verkauf „Washington Post“Eine neue Ära beginnt

Ines Pohl
Kommentar von Ines Pohl

Die „Post“ steht für investigativen Journalismus. Durch ihren Verkauf ist die vierte Gewalt in den USA gefährdet. Doch es gibt Hoffnung.

Das waren noch Zeiten: Bob Woodward (rechts) und Carl Bernstein, die gemeinsam für die „Post“ die Watergate-Affäre aufgedeckt hatten. Bild: ap

N ur noch die New York Times erfüllt die demokratische Wächterfunktion so ausgewiesen wie die Washington Post. Ihre widerständige Geschichte beginnt mit Watergate, geht über die Aufdeckung von geheimen Folterknästen in osteuropäischen Ländern und unhaltbaren Zuständen in Militärkrankenhäusern und aktuell diskutiert die Zeitung die Überwachungsmaschinerie der USA.

Es wundert also nicht, dass Wikileaks die Washington Post nutzte, um geheimes Datenmaterial zu veröffentlichen. Oder dass Edward Snowdens Vater bisher nur mit einer einzigen Zeitung gesprochen hat, eben jener Grande Dame des investigativen Qualitätsjournalismus, der Post, wie sie in den USA genannt wird.

Seit Montag ist bekannt, dass die Zeitung nicht länger im Besitz der Gründerfamilie Graham ist, sondern an den Amazon-Gründer Jeff Bezos verkauft wird. Ein Dammbruch. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die klassischen Geschäftsmodelle von Zeitungen an ihr Ende kommen. Selbst wenn sie, wie im Falle der Post, über lukrative Nebengeschäfte verfügen und die Besitzer in allererster Linie ihre Verantwortung als Verleger wahrnehmen - und erst dann ans Geldverdienen denken.

Der Verkauf erschüttert auch, weil damit nur noch die New York Times übrig bleibt als Qualitätsblatt. Und auch hier mehren sich die Gerüchte, dass die Sulzberger-Familie einen Verkauf erwägt. Was bedeutet das für ein Land, das von einem Präsidenten regiert wird, der noch weniger Pressekonferenzen gibt als George Bush? Und stattdessen Twitter und andere digitale Kanäle nutzt, um seine politischen Botschaften in die Welt zu senden, ohne sich dabei den kritischen Nachfragen von JournalistInnen stellen zu müssen.

Ein Mann mit Sinn für technische Innovation

Nichts Gutes. Zumal dort inzwischen Menschen, die auf die Verbrechen des Staates hinweisen, mit der Todesstrafe rechnen müssen. Und was bedeutet es für Wikileaks, wenn es keine Plattformen mehr gibt, die deren Inhalte publizieren, weil Goolge und Facebook vom Staat hart reglementiert werden können? Es bedeutet, dass die USA Gefahr laufen, ihre vierte Gewalt zu verlieren, die die Machenschaften der herrschenden Klasse bislang kritisch begleitet und sehr viel Geld investiert hat, um Menschenrechtsverletzungen oder Gesetzesbrüche aufzudecken.

All diese Fragen bekommen durch den Verkauf der Post eine enorme Dramatik. Neu sind sie aber nicht. Denn es war klar, dass der bisherige Besitzer Don Graham irgendwann nicht mehr bereit ist, Jahr für Jahr Millionen in einen Betrieb zu stecken, der wohl nie wieder Gewinne erwirtschaften wird. Die Gute Nachricht ist, dass mit Jeff Bezos kein börsenorientiertes Unternehmen einen großen Zeitungstitel gekauft hat, sondern ein Mann mit einem großen Sinn für technische Innovationen.

Es war schließlich das Lesegerät Kindle, das den Erfolg von Amazon weiter ausbaute. So besteht die Hoffnung, dass Bezos sein riesiges Vermögen investiert, um digitale Antworten auf die Zeitungskrise zu finden, die nicht die Abschaffung des Qualitätsjournalismus bedeuten müssen. Sondern vielleicht das Gegenteil ermöglichen durch Geräte, die den modernen Lesegewohnheiten entsprechen und erlauben, vergleichsweise preisgünstig zu publizieren. Dass dabei unter Umständen auch Apple mit seinem IPad Konkurrenz bekommt, könnte ein positiver Nebeneffekt sein.

So wird dieser Montag zwar der Tag sein, an dem der klassische Weg der Washington Post zu Ende geht. Aber vielleicht auch ein Tag, an dem Graham eine mutige und richtige Entscheidung getroffen hat.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Ines Pohl
Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • D
    derswissenwill

    Wann ist den das Foto zum Artikel entstanden? Am linken Bildrand ist scheinbar ein aufgeklapptes Notebook zu sehen. Watergate wurde in den 1970er Jahren aufgedeckt.

  • JP
    Jan Petersen

    Auch wenn Jeff Bezos uns erzählen will, er handle als "Privatperson", wird er selbstverständlich immer im Sinne und zum Vorteil von Amazon handeln.

     

     

     

    Und einen in vielen Bereichen jetzt schon marktbeherrschenden Monopolisten wie Amazon kann man nicht wirklich als Retter oder wünschenswerte Konkurrenz zu Apple sehen. Bestenfalls haben wir dann ein iPad-Kindle-Duopol, was in Anbetracht der Dominanz von Amazon in so vielen unterschiedlichen Bereichen mit Synergieeffekten sicher nicht wünschenswert sein kann. Schlimmstenfalls überrollt Amazon mit seiner aggressiven Expansionspolitik "Wachstum um jeden Preis" auch Apple.

     

     

     

    Ehrlich gesagt hoffe ich sogar, dass Amazon mit dem Kindle keine weiteren Marktanteile gewinnt. Wenn man die zahlreichen Geschäftsbereiche betrachtet, ist Amazons Dominanz für den Verbraucher deutlich gefährlich als die von Apple in einem fest abgegrenzeten Bereich.

     

     

     

    Ich halte einen Erfolg von Amazons Kindle für extrem gefährlich und ganz sicher nicht wünschenswert. Schlimm genug, dass ein Kindle-Gerät immer nur für eine Person personalisiert wird und Amazon auswertet, was ich downloade und wann wo lese, ist das Gerät auch fest an den Amazon-Shop gebunden und kein freies offenes Gerät, mit dem der Kunde machen kann was er will.

  • G
    Gold

    Guter Artikel. Vor allem schnörkellos geschrieben. Das ist wohltuend, bei den ganzen Anagrammen, Wortneuschöpfungen, und Verschachtelungen, die man sonst zu lesen hat. @ACALOTH. Die Presse ist momentan wohl unser geringstes Problem. Ihre Wahrheiten sind wohl vergleichsweise leicht zu kontrollieren. Schon gar nicht entzieht sie sich der Kontrolle. Sie ist Teil der freiheitlich, demokratischen Grundordnung.

    • A
      Acaloth
      @Gold:

      Wenn sich heute die Zeitungen auf einen Politiker einschiessen ist dieser meist erledigt ob das wirklich noch das ist wofür wir die Medien mal als Teil der freiheitlich, demokratischen Grundordnung hatten ist denke ich fraglich.

       

      Die Frage die sich stellt ist wer die Gewalt ist die die vierte überwacht....oder wer überwacht die Wächter ?

  • R
    reblek

    "Goolge" - Nicht schlecht, erinnert irgendwie "an die Gurgel gehen".

     

    "Die Gute Nachricht ist..." - Nun ja, die ist aber weiterhin kein stehender Begriff mit großem "G".

  • A
    acaloth

    "Durch ihren Verkauf ist die vierte Gewalt in den USA gefährdet."

     

     

     

    Man sollte sich vielleicht mal die Frage stellen ob der Anspruch als "vierte Gewalt" nicht schwer fragwürdig ist, denn ob in einer Demokratie für eine Gewalt platz sein sollte die keiner demokratischen Kontrolle unterworfen ist sich gleichzeitig aber die Kontrolle aller anderen (demokratisch legitimierten) Gewalten auf die Fahnen geschrieben hat ist durchaus fraglich.

  • CG
    Curious George

    Eine ernsthafte Frage an die Redaktion bzw. die Allgemeinheit: Gibt es eigentlich in den USA Zeitungen oder Zeitschriften, die als Genossenschaft (Cooperative) oder als Employee-owned corporation organisiert sind?

     

     

     

    Zwar gibt es in den USA einige Coops, aber die Website der National Cooperative Business Association war - was Medienunternehmen angeht - recht dürr an Informationen.

  • H
    Hahahaha

    Nur noch die New York Times erfüllt die demokratische Wächterfunktion so ausgewiesen wie die Washington Post? Moment. Es muß heißen: Nur noch die New York Times erfüllt die Wächterfunktion so ausgewiesen wie die Washington Post. So wie die ARD, das ZDF, SPON, taz, SZ, AZ, Tagespiegel, Zeit und viele viele andere ihre Wächterfunktion erfüllen. Allerdings wollen immer weniger Menschen Wächter. Sie wollen Information. Villeicht wird die Washington Post wieder eine Zeitung statt ein Wachhund der Bewegung zu sein, den man auf Menschen hetzt die der Bewegung nicht passen. Verständlich wenn das der taz Sorgen macht. .

    • A
      Acaloth
      @Hahahaha:

      Das ist eben das Problem.

       

      Der Journalismus westlicher Prägung versteht sich immer mehr als Kontrollorgan das irgendwie sich von selbst berufen hat weder ist die "vierte Gewalt" demokratisch legitimiert noch sind die Medien "Volkes Stimme" auch wenn sie immer wieder so tun. Was wir momentan sehen ist das Ende des "meinungsbildenden" Journalismus hin zu einem Informationsjournalismus und das kann ich nur begrüssen, denn in einer Demokratie kann kein Platz sein langfristig für eine Presse die Meinungen BILDEN will anstatt den Bürger seine Meinung selber bilden zu lassen.

       

      Die Presse soll endlich wieder mehr Informationen und Hintergrundfakten bieten und weniger eigene Agenda der Journalisten propagieren.

      • Bernd Pickert , Autor , Auslandsredakteur
        @Acaloth:

        Ich glaube, Sie haben da ein paar Sachen gründlich missverstanden. New York Times und Washington Post sind ja nicht deshalb meinungsbildend, weil sie Meinungen veröffentlichen. Das tun sie zwar auch, aber die sind so divers - von Krauthammer und Will bis Dowd und Krugman und noch etliche Nuancen dazwischen - dass das nicht das entscheidende ist. Dazu kommt: Das Veröffentlichen von Meinungen leidet in der Krise nicht - denn das ist ja ziemlich billig.

         

         

         

        Was hingegen gelitten hat, und das ist ja auch eigentlich mit der vierten Gewalt gemeint, ist das Recherchieren von Fakten und insofern auch das Berichten von Gegebenheiten in einer unpolierten Version, die womöglich nicht der entspricht, die die handelnden Personen gerne berichtet haben möchten. Das aber, also Recherche, kostet Geld, und wenn das nicht mehr reinkommt, findet sie nicht mehr statt.

         

         

         

        Die Zeitungskrise macht daran nix besser, alles nur schlimmer, und das übrigens völlig unabhängig davon, ob betroffene Zeitungen eher konservativ oder eher links konnotiert sind. Anders als manche Blogs, die jeden Blödsinn ohne jede Überprüfung als Wahrheit in die Welt setzen, sind zumindest Qualitätszeitungen, zu denen sich NYT und WP immer noch zählen dürfen, dem Fact Checking verpflichtet und es ist ihnen sturzpeinlich, wenn sie Fehler machen.

         

         

         

        Wie Sie, Hahaha, darauf kommen, die Washington Post sei der Wachhund irgendeiner Bewegung und hetze Menschen, die der Bewegung nicht passen, ist mir ein Rätsel. Welche sollten das denn sein? Was für eine Bewegung? Wer wird gejagt? Fragen über Fragen...

        • A
          Acaloth
          @Bernd Pickert:

          Die Zeitungskrise setzt dem etablierten Journalismus das Messer an die Kehle und nur die besten werden es überstehen.

           

          An ihrer immer grösser werdenden Irrelevanz haben auch die Medien selber Schuld, denn nicht umsonst werden sie von immer mehr Menschen als korrupt angesehen.

           

          Was der gesamten, gerade Zeitungslandschaft, gut täte wäre ein kritisches Hinterfragen des eigenen Habitus und des arroganten Selbstverständnisses als "vierte Macht".

           

          Journalisten sind schon lange nicht mehr die grossen bewunderten Aufdecker sondern in weiten Teilen der Gesellschaft nur mehr eine unbeliebte abgehobene Kaste die für sich in Anspruch nimmt ohne selber einer Kontrolle zu unterliegen alles andere kontrollieren zu dürfen.

           

          Die Medien sind mittlerweile die EINZIGE Gewalt im Staat die meint praktisch Narrenfreiheit zu haben und das auch noch mit Zähnen und Klauen als demokratisch unabdingbarer Zustand zu verteidigen.

           

           

           

          Sehen wir doch den Tatsachen ins Auge wenn heute die Medienlandschaft den Daumen über einem Politiker kollektiv senkt ist der im Regelfall geliefert....also die nicht demokratisch legitimierte Gewalt schiesst demokratisch legitimierte Amtsträger ab.

           

           

           

          Die NYT und die WP mögen Qualitätsblätter sein, wenn ihre Beschreibungen ihrer Bandbreite stimmen haben wir aber im ganzen deutschsprachigen Raum praktisch keine Qualitätszeitung mehr, denn längst hat auch bei der Zeit, Süddeutschen und Co. stark tendenziöse Berichterstattung Einzug gehalten (man verzeihe mir aber die TAZ ist wenn auch unterhaltsam so doch weit von neutraler Berichterstattung weg und deutlich links zu verorten)

           

           

           

          Wenn jetzt die letzten Bastionen des Qualitätsjournalismus geschleift werden so hat es sich der Journalismus selber zuzuschreiben das er offenbar keinen Geld werten Wert mehr produziert.