Kommentar Verhandlungen mit Assad: Auf dem Weg zu „Genf 3“
Vier Gründe, warum es Hoffnung gibt, das Gemetzel in Syrien zu beenden. Und einer, der dem immer noch entgegensteht: Assad.
V iereinhalb Jahre nach Beginn des Syrienkonflikts gibt es verstärkte diplomatische und militärische Aktivitäten, die zu seiner Beendigung führen sollen. Dazu beigetragen haben vier Entwicklungen.
Erstens: Mit dem Abkommen über das iranische Atomprogramm wird auch die jahrzehntelange Isolationsstrategie Washingtons gegenüber Teheran beendet. Diese Strategie verhinderte bislang die für einen Erfolg unerlässliche Einbeziehung Irans in die Bemühungen um eine Deeskalation.
Zweitens: Von Washington über Paris, Berlin bis Moskau und Peking verstärkt sich die Einschätzung, wonach der „Islamische Staat“ die größte Bedrohung sei, seine erfolgreiche Bekämpfung ein gemeinsames politisches wie militärisches Handeln erfordere und Voraussetzung sei für eine Lösung des Syrienkonflikts. Diese Einschätzung herrscht in Teheran schon lange vor. Inzwischen wird sie auch von den beiden anderen relevanten Regionalmächten Saudi-Arabien und Türkei geteilt – zumindest laut offizieller Sprachregelung.
Drittens: Der dramatische Anstieg der Zahl der syrischen Flüchtlinge hat den Handlungsdruck auf die europäischen Regierungen erheblich verstärkt, sich um die Fluchtursachen zu kümmern.
Viertens: Der seit August 2014 amtierende dritte Syrien-Vermittler der UNO, Staffan de Mistura, hat in monatelangen Einzelgesprächen eine zumindest grundsätzliche Verständigung über einen neuen, als „Genf 3“ bezeichneten Verhandlungsprozess erreicht.
Die Opfer Assads
Eine zentrale Streitfrage ist dabei allerdings weiterhin ungelöst: Welche Rolle soll Syriens Präsident Baschar al-Assad künftig spielen? Die Regierungen der USA und der EU-Staaten schwenken zwar zunehmend auf die Linie Russlands und Irans ein, wonach die Regierung Assad zumindest vorläufig noch gebraucht werde sowohl zur Bekämpfung des IS wie für den neuen innersyrischen Verhandlungsprozess „Genf 3“.
Doch die meisten Oppositionsgruppen sind nicht bereit zu Sondierungen unter Einbeziehung Assads und schon gar nicht für eine Teilnahme an „Genf 3“. Sie weisen daraufhin, dass die meisten Todesopfer, Verwundeten und Flüchtlinge nach wie vor von Angriffen der syrischen Regierungsstreitkräfte verursacht werden und nicht vom IS. Diese Einschätzung wird durch die Untersuchungen des UN-Menschenrechtsrats in Genf sowie von anderen unabhängigen Beobachtern bestätigt.
Selbst wenn es zu einer Einigung über die künftige Rolle Assads käme und „Genf 3“ eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den beteiligten Oppositionskräften erbringen würde, bleibt ein zentrales Dilemma: Alle diese Vereinbarungen könnten erfolgreich sabotiert werden von zwei Akteuren, die nicht in an dem Verhandlungsprozess und den vorausgegangen Sondierungen von UNO-Vermittler de Mistura beteiligt wurden: vom IS, der rund 50 Prozent des syrischen Territoriums kontrolliert, sowie von der mit dem IS konkurrierenden Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Al-Qaida-Netzwerks.
Keine Bodentruppen
An Luftangriffen gegen IS-Stellungen in Syrien beteiligen sich seit Anfang September auch Australien, Großbritannien und Frankreich. Der Eindruck drängt sich auf, dass die drei Regierungen mit der Demonstration militärischer Handlungsbereitschaft vor allem von ihrer mangelnden Bereitschaft zur Aufnahme von mehr syrischen Flüchtlingen ablenken wollen. Doch was immer die Motive sind: Erfolgreich bekämpfen lässt sich der IS so nicht.
Zur Entsendung von Bodentruppen in den syrischen Bürgerkrieg – die zumindest zur Durchsetzung von Schutzzonen für Flüchtlinge unerlässlich wären – ist aber niemand bereit, auch Russland nicht. Putin geht es darum, die Option für ein Exil Assads in seiner Heimatregion Latakia vorzubereiten: bewacht von russischen Truppen, die zugleich auch den russischen Marinestützpunkt und einzigen Zugang zum Mittelmeer in Tartus sichern.
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