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Kommentar Verhandlungen EU-TürkeiDie wahren Probleme des Deals

Bei den Verhandlungen um die Flüchtlingskrise drängt die Türkei wieder auf den EU-Beitritt. Das ist weder unverschämt noch unmoralisch.

Geht doch gut zusammen: Der griechische und der türkische Premierminister verteilen zum Internationalen Frauenkampftag Rosen. Foto: dpa

Unverschämt ist einer der Begriffe, die nach dem EU-Türkei Gipfel Konjunktur haben. Unverschämt, Erpressung, Basar-Geschacher, das geht ja gar nicht. Viele in Europa geben sich empört, was die türkische Regierung aus der angeblichen „Notsituation“ vieler EU-Länder nun herausschlagen will. Aber ist das tatsächlich so?

Da nutzt die Türkei einmal die Situation aus, um sich selbst wieder an den Tisch in Brüssel zu drängen und fordert, die Beitrittsgespräche zu forcieren. Eine Unverschämtheit?

Tatsächlich ist es genau andersherum. Seit 2005 hält die EU und allen voran Deutschland und Frankreich seine Versprechen nicht ein und unterläuft damit einen fairen Beitrittsprozess.

Nehmen wir die Forderung nach visafreien Reisen für türkische Staatsbürger in den Schengen-Raum. Keinem anderem Beitrittskandidaten wurde bisher die Visafreiheit verwehrt, wie rechtfertigt die EU eigentlich die Diskriminierung der türkischen Bürger?

Es geht um Peanuts

Oder das liebe Geld. Sechs Milliarden Euro will die Türkei bis 2018 nun für die Unterbringung der syrischen Flüchtlinge haben, statt der bislang angebotenen drei Milliarden für 2016 und 2017. Man muss nur einen Blick auf die Milliardensummen werfen, die die deutschen Bundesländer für die Integration weit weniger syrischer Flüchtlinge veranschlagen, dann sieht man, dass auch sechs Milliarden eigentlich Peanuts sind.

Das hat mit Unverschämtheiten nichts zu tun, sondern legt nur die bisherigen Versäumnisse der EU gegenüber der Türkei bloß. Problematisch an dem EU-Türkei-Deal sind ganz andere Teile der Verabredung.

Kollektiv, ohne Prüfung des Einzelfalles, soll die Türkei alle Flüchtlinge von Griechenland zurücknehmen. Wie wird da eigentlich noch das Recht auf Asyl gewahrt? Was passiert mit den Flüchtlingen, die Europa in die Türkei zurückbringt, und wie soll eigentlich ein Land, das bereits drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat mit den zusätzlichen hilfsbedürftigen Menschen klarkommen?

Kurden und Pressefreiheit

Warum weiß man bis heute nichts darüber, in welchem Verfahren syrische Flüchtlinge aus der Türkei zukünftig dann legal nach Europa kommen können sollen? Stellen sie Asylanträge bei EU-Außenstellen in den Flüchtlingscamps, werden sie von EU-Vertretern nach Gutdünken ausgesucht und vor allem, in welcher Größenordnung ist die EU eigentlich bereit, eine legale Einreise zuzulassen?

Die Türkei ist bereits auf dem Weg in eine de facto Diktatur von Präsident Erdoğan. Ein funktionierender Deal mit der EU würde die Position Erdoğans weiter festigen und zur Abschaffung der Demokratie beitragen - wenn die EU nicht endlich im Gegenzug auch darauf besteht, dass die Werte der Gemeinschaft in der Türkei eingehalten werden.

Das und die Verfolgung der Kurden, die die EU ignoriert, sind die wahren Probleme des Paktes von Merkel mit Davutoğlu und Erdoğan.

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5 Kommentare

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  • Aspekte zur EU-28 und Türkei

     

    Für die Beurteilung des durchschnittlichen Lebensstandards der Bevölkerung in der Türkei wäre das BIP pro Kopf in Kaufkraftstandards (KKS) geeignet. Wobei der Durchschnittswert für die EU-28 mit 100 gleichgesetzt wird.

     

    Demnach verfügt Luxemburg über einen KKS-Wert von: 266 (283). Also über mehr als das 2,6-fache des EU-Durchschnitts.

     

    Deutschland verfügt über einen Wert von: 119 (125).

     

    Griechenland über einen Wert von: 73.

    Ungarn über einen Wert von: 68, und Polen über einen Wert von: 66.

     

    Die Türkei -noch außerhalb der EU- verfügt (nur) über einen Vergleichswert -- für die Beurteilung des durchschnittlichen Lebensstandards der Bevölkerung -- von: 55 (von KKS-EU = 100).

     

    Merke: Die Ökonomie --und die Erwartungshaltung der türkischen Bevölkerungmehrheit an eine EU-Mitgliedschaft-- treibt die türkische Politik.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ein Deal, der unter extremem Druck ausgehandelt wurde und hoffentlich noch scheitert. Es werden sich in der Türkei weiter ähnlich häßliche Dinge ereignen, wie in den letzten Tagen. Was dann? Wenn die 6 Mrd nicht zusammenkommen, was dann? Wer nähme überhaupt die Flüchtlinge aus der Türkei auf? Ein wenig habe ich Hoffnung, daß die europafeindlichen Visegrad-Köpfe diesen Vertragsentwurf aus Geiz noch kippen.

    Dies ist keine Lösung für die armen Flüchtlinge, für die EU, für Deutschland und für den Frieden in Syrien, denn bald wird wieder Putin benötigt und die Kurdenfrage auf dem Tisch liegen. Und dann, Türkei?

  • Wer die Türkei ob der Strategie bei der Durchsetzung eigener Interessen kritisiert, der muss erklären, wieso er die Türkei überhaupt in die Lage brachte, dies auf die beschriebene Art und Weise tun zu können.

     

    Anders gesagt, hätte Europa die Flüchtlinge aufgenommen und nach auszuhandelnden Kontingenten verteilt, hätte doch ein "Schurkenstaat" wie die Türkei überhaupt keinen Hebel gehabt.

     

    Man hat sich also von Pegida bis PiS, von Union bis Orban mit der Türkei moralisch nicht nur auf eine Stufe gestellt, man hat sich selbst noch ein Stückchen darunter angesiedelt.

  • das problem ist nicht Erdogan - das problem ist der territoriale vorbehalt zur GFK der Türkei. den hatte sie schon vor Erdogan, nämlich seit ratifizierung der GFK. und den wird sie auch weiter haben.

    dieser territoriale vorbehalt bedeutet: die Türkei nimmt als flüchtlinge im sinne der GFK nur solche aus Europa auf. alle anderen kann sie verschuben, wohin sie mag.

    • @christine rölke-sommer:

      Hallo Frau Rölke-Sommer,

       

      Ihr Einwand ist absolut berechtigt. Wenn allerdings ein Schutzanspruch in der EU bereits in der Türkei geprüft werden kann, z.B. im Rahmen von Kontingenten, wäre das Problem de facto beseitigt. Noch besser wäre aber natürlich, die Türkei wäre bereit die GFK vollständig zu unterzeichnen, nur bei der geografischen Lage, kann ich ehrlich gesagt nachvollziehen, dass die Türkei da wenig Lust zu hat.