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Kommentar Vergewaltigungen in IndienKein Herbst der Patriarchen

Georg Blume
Kommentar von Georg Blume

Das Indien-Bild der englischsprachigen und ausländischen Medien suggeriert eine wehrhafte demokratische Öffentlichkeit. Doch die gibt es nicht.

D as englischsprachige indische Magazin Tehelka titelte jüngst mit einer Geschichte über den „Herbst des Patriarchats“. Indiens Frauen „hätten zwar noch nicht die Bastille erstürmt, aber“ – so der Mut machende Tenor zu den Reaktionen auf die brutale Vergewaltigung einer Medizinstudentin in Delhi. Viele Beobachter loben jetzt, dass die indischen Medien ausführlicher über Vergewaltigungen berichten.

Auch hat die Regierung eine neue Verordnung in Kraft gesetzt, die Vergewaltigungen strenger bestraft. Innerhalb der informierten indischen Öffentlichkeit und im Ausland kann so leicht der Eindruck entstehen, als hätte der Delhier Vergewaltigungsfall tatsächlich ein Umdenken ausgelöst.

Doch das ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Seit Wochen bekam die internationale Frauenkampagne der amerikanischen Feministin Eve Ensler „One Billion Risung“ in Indien alle nur erdenkliche Aufmerksamkeit in den englischsprachigen Medien des Landes. Ensler tourte im Januar lange durch Indien und empfand eine Aufmerksamkeit für das Thema Vergewaltigung, die sie selbst so noch nie erlebt hätte.

Nicole Sturz
GEORG BLUME

berichtet seit 2009 für die taz und die Zeit aus Indien und Pakistan. Davor arbeitete er von 1990 bis 1997 als Korrespondent in Tokio und danach 12 Jahre in Peking, wofür ihm 2007 der Liberty Award verliehen wurde.

Doch sie war Opfer der indischen Selbstverblendung in den Medien. Als dann am Valentinstag die große „One Billion Rising“-Aktion stattfand, versammelte sich vor dem Parlament in Delhi ein kleiner Haufen Ausländer und UN-Mitarbeiter.

Es ist manchmal schwer zu erklären, wie abgehoben das Indien-Bild der englischsprachigen und ausländischen Öffentlichkeit ist. Dieses Bild suggeriert eine wehrhafte demokratische Öffentlichkeit in Indien, die es im für das Land repräsentativen Maßstab nicht gibt. Jeder Vergewaltigungsfall, den die Medien jetzt melden, kann das im Einzelnen belegen. Denn fast immer bleiben die Opfer auch die moralischen Verlierer. Indiens Patriarchat steht in voller Blüte.

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Georg Blume
Auslandskorrespondent Indien
Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.
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9 Kommentare

 / 
  • I
    ion

    @ Daniel Preissler (19.02.2013 15:00),

     

    Und dann? Passiert was‽ Aktiviert sich die Online-taz-Artikel-Transskriptionssoftware, manipuliert via geheimer Strahlungen durch ’s Display vor der Nase meine Synapsen und läßt mich infolgedessen den kritisierten Blume-Text als wertvollen auslands-journalistischen Beitrag erkennen?

    Könn-t-en Sie sich bitte etwas verständlicher mitteilen, als platt zu suggerieren, dass seitens der von Ihnen adressierten Leserkommentatorinnen ein Rezeptionsdefizit o.ä. bestünde? Ich habe Ihren Lk wieder und wieder gelesen: „Nix! Richtig?“

    In reiner Opportunität erlaube ich mir Ihnen nahezulegen, den auf den gleichen Tag datierenden Blume-taz-Artikel zu lesen, der ebenso schräg daherkommt und (euphemistisch formuliert) nicht nur von näherungsweise völliger Unkenntnis der indischen Situation, gesellschaftlichen Konditionen und Geschichte zeugt:

    «Vergewaltigungen ohne Ende»

    https://www.taz.de/!c111215/

  • V
    vic

    Es sind mehr als 15, Sarplus

     

    http://www.onebillionrising.de/

  • DP
    Daniel Preissler

    ion, indira, sarplus

    vielleicht einfach nochmal lesen?

  • I
    Ingindia

    Das Patriarchat steht in voller Blüte, Herr Blume – und es tut sich trotzdem was bei den Frauen. Vielleicht waren Sie am ONEBILLIONRISING-Tag einfach nur am falschen Ort! Werfen Sie doch mal einen Blick in Facebook! Hier in Trivandrum z.B., das ja nun wirklich ein südlicher Provinzort ist, haben Hunderte von indischen Frauen am Strand getanzt und eine Gruppe von Mädchen hat seine Kampfkünste vorgeführt. Beim Heimweg in die Stadt ist eine der Kalari-Kämpferinnen an einer Strassenküche von 4 Männern unschön angemacht worden – und schon hatten sie eine Faust im Magen und eine Anzeige am Hals. Vermutlich wäre vor einem halben Jahr weder das Eine noch das Andere passiert. Das Mädchen hätte sich nicht getraut und die Polizei hätte die Anzeige nicht angenommen, sondern sie unter Beleidigungen aus dem Revier gejagt. Die Presse spielt eine enorm wichtige Rolle bei der Eroberung des öffentlichen Raums durch die Frauen. Die Berichte über die Missbrauchsfälle erfüllen hier eine Funktion der Aufklärung und initiieren die notwendige öffentliche Diskussion und auch die Gesetzgebung. Die internationale Presse lebt vom Voyeurismus und vom um-die Welt-tragen von Gruselnachrichten aus Indien. Hochkonjunktur für Asienkorrespondenten. In kaum einem Beitrag habe ich zu sozio-kulturellen Hintergründen von Männergewalt und Selbst-Verständnis der Frauen in Indien gelesen. Dazu würde vermutlich mehr zu sagen sein als in eine Schlagzeile zu quetschen ist.

  • DT
    dem Traum der unabhängigen Presse

    Leider gibt es in Europa und insbesondere Deutschland fast nur noch amerikanisierte Presseberichte. Und es wird täglich schlimmer.

     

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!

  • S
    Sarplus

    Ein sehr absonderlicher Beitrag - offenbar scheint die Krise des weissen Mannes beim Verfasser noch nicht angekommen zu sein. Aber eines scheint er zu wissen: Ein bisschen Rumtanzen loest jedes Problem. Und die "One Billion" duerfte in Wahrheit so ungefaehr "15" sein. Wie bei den peinlichen "We are 99 %", die in Wahrheit auch nur ein Haufen verlauster Dauerstudenten waren. Immer das gleiche mit der Mini-Muecke, aus der die dummen linken Deutschen einen Blauwal machen wollen.

  • A
    anke

    Ich denke, wenn sich US-amerikanische und europäische "Initiatoren" mit den heimischen Patriarchats-Blüten befassen würden, hätten sie gewiss auch reichlich zu tun. Aber das wäre nicht ungefährlich. Wie abgehoben nämlich das Bild ist, das gewisse "Initiatoren" von der eigenen Öffentlichkeit haben, wäre schließlich noch viel schwerer zu erklären. Teilt man denn nicht ein und die selbe Kultur? Ja. Schon. Irgendwie.

  • I
    Indira

    Ein billiger, plakativer Beitrag, kenntnislos geschrieben, der Autor bedient peinliche europaeische Vorurteile. Raetselhaft, dass die taz zu einem so wichtigen und ernsten Thema so einen laecherlichen Beitrag ernsthaft veroeffentlicht - oder sollen mit diesen dummen Artikeln die indischen Frauen offen verhoehnt werden? Scheint mir so.

  • I
    ion

    „One Billion Risung“ – wo läuft denn solch eine "internationale Frauenkampagne", und: " Indiens Patriarchat steht in voller Blüte", weil einer sogar angereisten amerikanischen Initiatoren eher keine Beachtung geschenkt wird, Herr Blume? Die Zeiten, in denen Amis (oder Briten) pfeiffen und die adressierten Indigenen tanzen, dürften ein Auslaufmodell sein – und das ist gut so!