Kommentar Vergewaltigung in Indien: Mehr Schutz ist nötig
Indien hat die Gesetze gegen Vergewaltigung verschärft. Einen richtigen Opferschutz gibt es aber immer noch nicht. Die Gefahr erhöht sich sogar.
Wieder macht in Indien ein extremer Gruppenvergewaltigungsfall Schlagzeilen. Es ist erst ein Jahr her, dass nach einem anderen besonders brutalen Fall in vielen Städten Menschen auf die Straße gingen und schärfere Gesetze forderten. Die gibt es inzwischen. Absurde Regeln, dass Vergewaltiger der Bestrafung entkommen, wenn sie das Opfer ehelichen, wurden endlich abgeschafft. Vergewaltigungen können inzwischen sogar mit der Todesstrafe geahndet werden.
Im Alltag sind Frauen in Indien heute aber kaum besser geschützt als vor einem Jahr. Geändert hat sich, dass es eine größere Wahrnehmung der Gewalt gegen Frauen gibt und dass die Medien stärker über solche Fälle berichten.
Und mehr Frauen trauen sich, die Gewalt auch anzuzeigen: In Delhi verdoppelte sich die Zahl der gemeldeten Vergewaltigungen. Selbst einflussreiche Prominente wie der Top-Journalist Tarun Tejpal, der Guru Asaram oder der Ex-Verfassungsrichter A. K. Ganguly werden heute mit Vergewaltigungsanzeigen konfrontiert.
Aufgrund des öffentlichen Drucks wurden Gesetze verschärft, aber es gibt weiterhin keinen Opferschutz, wie das jüngste Beispiel noch einmal drastisch vorführt. Die 16-Jährige wurde angezündet, nachdem sie sich geweigert hatte, die Anzeige zurückzuziehen. Der Fall zeigt, dass Gesetzesverschärfungen sogar die Gefahr für die Opfer erhöhen, wenn Täter, die mit Exekution rechnen müssen, dies um jeden Preis verhindern wollen.
Es scheint leichter, Gesetze zu verschärfen, als Frauen effektiv zu schützen. Zu Letzterem fehlt weiter der politische Wille. Schon die seit Jahren bestehenden Verbote von Mitgift und pränataler Geschlechtsbestimmung, die Frauen massiv benachteiligen, haben die Lage nicht verbessert. Dazu bräuchte es einen starken gesellschaftlichen Wandel.
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