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Kommentar Verfassungsschutz und NSUUngeheuerlicher Verdacht

Astrid Geisler
Kommentar von Astrid Geisler

Der Verdacht der Vertuschung von NSU-Verstrickungen in Hessen wiegt schwer. Er wird ein Härtetest für die Koalition aus CDU und Grünen.

Der Name Halit Yozgat auf einer Gedenktafel für die NSU-Opfer in Kassel Bild: dpa

L ängst nicht nur Verfassungsschützer würden drei Jahre nach dem Auffliegen des NSU gern endlich dieses hässliche Kapitel schließen und zum Alltag zurückkehren. Selbst führende Köpfe der hessischen Grünen versicherten noch vor wenigen Tagen, zum Kasseler NSU-Mord sei doch inzwischen nichts großartig Neues mehr zu erwarten.

Für den Untersuchungsausschuss im Landtag mochten sie nicht mal mehr aus Respekt vor den Opferfamilien votieren, denen man einst schonungslose Aufklärung versprochen hatte. Die neuen Indizien rund um den Mord an Halit Yozgat demonstrieren drastisch, wie kurzsichtig und falsch diese auf den schwarz-grünen Koalitionsfrieden ausgerichtete Position war.

Auf dem hessischen Verfassungsschutz liegt ein ungeheuerlicher Verdacht der Verstrickung und Vertuschung. Ein leitender Beamter soll seinem ins Visier der Ermittler geratenen Kollegen am Telefon zugeraunt haben, er dürfe doch bitte nicht an einem potenziellen Tatort vorbeifahren, „wenn er weiß, das irgendwo so etwas passiert“. Heißt das: Der Verfassungsschutz wusste von einem weiteren drohenden rechtsterroristischen Mord und schaute lieber zu, statt ihn zu verhindern?

Diese Vermutung ist so atemberaubend, dass Ignorieren und Kleinreden nicht mehr helfen. Ein solcher Verdacht verflüchtigt sich nicht von selbst, er haftet an der hessischen Behörde und dem gesamten Inlandsgeheimdienst, solange er nicht minutiös aufgearbeitet ist.

Politisch ist der hessische Fall besonders brisant – schließlich stand hinter der systematischen Verschleierungstaktik in Hessen kein Geringerer als Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der damals als Innenminister seine schützende Hand über den Verfassungsschutz hielt. Inzwischen regiert er mit den Grünen – und der NSU-Komplex droht zum ersten Härtetest für die Koalition zu werden. Denn die Grünen können nicht länger auf Befindlichkeiten des Koalitionspartners Rücksicht nehmen. Sonst machen sie sich selbst unmöglich.

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Astrid Geisler
Korrespondentin Parlamentsbüro
Jahrgang 1974, ist Parlamentskorrespondentin der taz. Zuvor hat sie als Reporterin und Inlandsredakteurin für die Zeitung gearbeitet. Sie war Stipendiatin des Netzwerks Recherche und erhielt für ihre Recherchen über Rechtsextremismus unter anderem den Theodor-Wolff-Preis. Schwerpunkte ihrer Berichterstattung sind die Piratenpartei, die CDU und das Thema Innere Sicherheit. Autorin der Sachbücher „Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland“ und „Piratenbraut. Meine Erlebnisse in der wildesten Partei Deutschlands“.
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17 Kommentare

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  • Schwer zu ertragen, diese Realität, wenn man jahrzehntelang an Staat, Recht & Ordnung geglaubt hat.

  • Der Mord an Yozag in Kassel war immer viel zu seltsam, viel zu viele Zufälle und viel zu viele Lügen, die der VF-Mitarbeiter im Laufe der Zeit erzählte. Bis heute kennen wir die Wahrheit nicht. Und wir werden sie wohl auch nie wirklich erfahren.

     

    Ich halte mich kurz: Der VF muss abgeschafft werden. Hätte der Staatsschutz sich um Mundlos, Böhnhard und Zschäpe 'gekümmert' - hätte das Priorität gehabt, dann wäre es nie zur NSU gekommen.

    Aber so war es eben nicht. Auch heute gibt's die Möglichkeit, dass die karrieregeleiteten VF-Mitarbeiter ihre 'Quellen' schützen und in Kauf nehmen, dass dies Gewalt, Hass und Aufruhr für den Rest der Gesellschaft mitsich bringt.

  • Das sollte man sich mal auf seiner Zunge zergehen lassen, dieses "sonst machen sie sich selbst unmöglich"!

     

    Ich fürchte, die, die so ganz unbedingt regieren wollen in Hessen oder anderswo, befürchten das genaue Gegenteil von dem, was Astrid Geisler prophezeit: Sich "unmöglich [zu] machen" als Regierungsmitglied , wenn sie keine erkennbare Rücksicht mehr nehmen auf den (potentiellen) Koalitionspartner und dessen Wunsch, nun möge es doch endlich mal genug sein mit der Aufklärung, bevor es noch ans Eingemachte geht, sprich: an die eigene Macht, Rolle und Bedeutung – ach ja, das Geld nicht zu vergessen.

  • Solange nicht alle deutschen Behörden und vor allem die deutsche Justiz nie gründlich entnazifiziert ist, glaubt euch kein einziger Migrant/In mehr!!! Aus sehr zuverlässigen Quellen, wissen viele Migranten/Innen schon längst, welche deutsche Behörden inwieweit durch die Nazis infiltriert sind.

    • @Malcon Gandie:

      Der VF-Mitarbeiter hat sich als Nazi im seinen Dorf geriert und aus seiner Haltung nicht mal ein großes Geheimnis gemacht. Nun konnte man den Mann schwerlich entnazifizieren, aber er ist ein klares Zeichen dafür, dass der Staat Neonazis und Rechtsextremismus in den eigenen Reihen, gerade in diesem sensiblen Bereich nicht Ernst nimmt und sich bzw. uns alle dagegen nicht schützt.

      • @Andreas_2020:

        Schon mal was von Legendenbildung gehört?

    • @Malcon Gandie:

      Ach Mustafa Kemal, die "Nazi"-Einrede ist zu mindestend 95% blanker Unfug und nichts weiter als ein billiger Versuch daraus eine Rechtfertigung für eine rechtswidrige Handlung (Widerstand etc) zu konstruieren.

       

      Wenn Sie Beweise hätten: Auf den Tisch damit! Aber das ist in solchen Fällen regelmäßig ja nicht der Fall, gell?

      • @KarlM:

        für misstrauen reicht ein begründeter verdacht. der ist hier gegeben.

        • @Tim:

          Mustafa Kemal pauschalisiert ohne Begründung.

          Gegeben ist hirr zunächst nur die nicht belegte Behauptung.

    • @Malcon Gandie:

      naja mal im Ernst in vielen Ländern in denen ich gewesen bin hab ich mich eigentlich nie zu der dortigen Situation geäussert nur einmal sagte ich, in D sind Schulen und ärztliche Versorgung von Kindern frei ,worauf ich die Antwort bekam wenn es dir hier nicht gefällt fahr wieder nach Deutschland!

      • @Georg Schmidt:

        In Kuba ist Schule bis zur 9. Klasse und medizinische Behandlung für alle kostenlos. Touristen sind im Notfall krankenversichert. Fahren Sie das nächste mal besser da hin!

  • Beim sogenannten “Verfassungsschutz” geht's schon lange um wesentlich mehr als nur einen “Verdacht”. Hört Ihr die Schredder noch laufen?

     

    Diese Behörden, die sich wohl darauf verlegt haben, Nazi-Netzwerke zu organisieren, zu finanzieren und auch zu decken bis hin zum Vertuschen von Mord, gehören endlich geschlossen. Wenn wir so viele Jahre seit Ende des kalten Krieges einen solchen “Verfassungsschutz” hatten, und uns hat nichts gefehlt, dann brauchen wir besser gar keinen.

    • @Volker Birk:

      Bei konsequentem "Versagen" geht es allerdings um den schwerweiegenden Verdacht, dass der schlimmste Verfassungsfeind letztendlich der angeblich Verfassungsschützer und der hinter ihm stehende Innenminister ist. Eine im geheimen operierende Organisation, die sich der äußeren Kontrolle weitgehend entzieht, muss von oben bis unten absolute Vertrauenswürdigkeit besitzen. Das ist nicht gegeben, wenn auf GEsetzesverstöße mit einer Erweiterung der Befugnisse reagiert wird. Der Fisch stinkt vom Kopf her!

  • Die Aktivitäten des damaligen Innenministers und Koch-Getreuen Bouffier waren bereits in der Kritik, als die Grünen ihn zum Ministerpräsidenten wählten. Ein mann, der nach meinem Eindruck alles andere als Vertrauenswürdigkeit ausstrahlt.

  • Es sol ja immer noch Menschen geben die nichts davon gehört haben wollen, welche Organisation offenbar geplant, nichts dabei fand ( oder es aus wichtiger Veranlassung als dringend geboten ansah) die Tatwaffe im Fall "Schmücker" der Strafverfolgung über viele Jahre zu entziehen...

     

    Denn ein schnelles Entsorgen wäre schließlich ein Kinderspiel gewesen!

  • Schwarz-Grün halte ich, das muss ich voraus schicken, ohnehin für einen Irrweg. Allerdings kommt hier nun wirklich der Lackmustest für Tarek al Wazir und seine Grünen: Entweder, er kann sein Amt und auch weitere Grüne ihre warmen Ministersessel sicher behalten und irgendwie weiter vor sich und für sich hin regieren - aber sie haben ihre Seele endgültig verkaufen und niemand vermisst sie, wenn sie das nächste Mal aus dem Landtag fliegen - oder die Grünen schalten auf wirklich schonungslose Aufklärung um - koste es, was es wolle. Das sind sie den Opfern schuldig. Und so könnten sie auch zumindest meinen Respekt (wieder-)gewinnen

    • @Markus Maria Strobl:

      Irrweg oder Irrwitz?

       

      An den qualifizierten Aufklärungseifer der Grünen glaube ich garnicht, bisher ist in Bund und Land im wesentlichen auch nur Aufklärungsarbeit simuliert worden.